„Gott vergib mir, wen ich da in mein Haus geholt habe!“

(Julie Walters als Madame Danzard in „Sister My Sister
)
 
Liebe Freundinnen und Freunde,

die queerfilmnacht geht bis auf Weiteres online – und hat sich dafür gleich mal eine neu gestaltete Homepage zugelegt! Unter der bekannten Domain könnt Ihr jeden Monat zwei neue queere Filme streamen. Oder Ihr besucht die Seiten unserer Partnerkinos, die die Streams einbinden und dafür natürlich auch an den Einnahmen beteiligt werden.

Los geht es mit einem preisgekrönten schwulen Soldatendrama aus Südafrika und einem wiederentdeckten lesbischen Liebesfilm aus Großbritannien.
„Moffie“ von Oliver Hermanus spielt im Jahr 1981, zur Zeit der Apartheid. Wie alle weißen jungen Männer muss Nicholas einen zweijährigen Militärdienst leisten, um den Staat vor der vermeintlichen Bedrohung durch den Kommunismus und die „Schwarze Gefahr“ zu verteidigen. Dass er schwul ist, darf niemand wissen, denn wer in der Truppe als „Moffie“ erkannt ist, wird brutal schikaniert und gequält. Doch dann verliebt sich Nicholas in seinen Kameraden Dylan.

Mit epischer Bildsprache zeigt Oliver Hermanus’ mitreißender Film, wie das Apartheid-Regime neben all seinen rassistischen Gräueltaten auch unzählige weiße junge Männer körperlich und physisch zugrunde gerichtet hat. „Moffie“ gilt als einer der besten queeren Filme des letzten Jahres, wurde auf Festivals weltweit gefeiert und von der Presse als „brillante Analyse weißer Männlichkeit“ und „Meisterwerk“ (Variety) beschrieben, als „Triumph“ (Screen Daily) und als „Film, den man so schnell nicht wieder vergisst“ (Film Review). Philipp Stadelmaier vergleicht „Moffie“ in seiner sissy-Besprechung mit Claire Denis’ „Beau Travail“ und Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“. Und fasst die besondere Spannung des Films treffend zusammen: „Visuelle Schönheit und äußere Gewalt bilden hier keine unangenehme Ambivalenz. Beides existiert nicht unverbunden und unharmonisch nebeneinander, sondern gleichzeitig.“


Ebenfalls sehr zu empfehlen: In der Wolke des queerfilmfestivals, auf dem „Moffie“ letztes Jahr Deutschland-Premiere feierte, gibt es spannende Blicke hinter die Kulissen sowie ein ausführliches Interview mit Oliver Hermanus.
Nancy Mecklers „Sister My Sister“ beruht auf dem berüchtigten Kriminalfall um die Papin-Schwestern, der sich in Le Mans 1933 zugetragen hat und bereits Jean Genet zu seinem Theaterstück „Die Zofen“ inspirierte.

Christine und ihre jüngere Schwester Lea arbeiten als Dienerinnen bei Madame Danzard und ihrer unverheirateten Tochter Isabelle. Die Regeln sind klar verteilt: Die Schwestern erledigen wortlos alle Aufgaben, Fehler werden nicht geduldet und frei ist nur der halbe Sonntag. Die beiden ertragen alle Demütigungen, weil sie sich auf diese Weise ganz nah sein können. In der Zurückgezogenheit ihrer Dachkammer wird die Beziehung der Schwestern immer körperlicher, ja rauschhafter. Als Madame Danzard erste Nachlässigkeiten im Haushalt bemerkt, droht die aufgestaute Spannung gefährlich zu kippen.

„Sister My Sister“ gilt als Klassiker des lesbischen Kinos aus Großbritannien, wurde aber nie in Deutschland veröffentlicht. In der queerfilmnacht ist Mecklers Film jetzt in digital restaurierter Fassung zu sehen. „Ein dichtes Kammerspiel, das sich ganz auf seine charismatischen Frauenfiguren und seine unterschwellig bedrohliche Atmosphäre verlässt“, schreibt die Siegessäule. Und die L-Mag frohlockt: „Mord, Blut, Inzest, Unterwerfung, Nonnen, Liebe, Sex und Hass ... Dieser Film hat alles, was einen guten Lesben-Thriller ausmacht.“
„Ottingers Kino war immer, wenn man schon Formeln und Termini braucht, von Diversität bestimmt, hybride, inklusiv, transgender – lange bevor man diese Begriffe in ein festgezurrtes Argumentations-Gerüst packte“, schreibt wiederum Fritz Göttler über „Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See“. In dem Porträtfilm gibt Brigitte Kramer einen tiefen Einblick in das surreale Filmwerk der bahnbrechenden queeren Regisseurin und Künstlerin – und zeichnet zugleich das Bild einer Epoche, die vom Aufbruch der Frauen in den Künsten geprägt war. Ab sofort gibt es Kramers Film im Salzgeber Club.

Ein Mann cruist mit seinem Motorrad durch Paris. Heimlich beobachtet er zwei Fußballer in einer Umkleidekabine beim Sex. Er driftet von einer Gruppenorgie zur nächsten. Realität und Traum verschwimmen. Explizit und voller Melancholie. Nachdem „Gleichung mit einem Unbekannten“ jahrzehntelang nicht mehr zu sehen war, hat Yann Gonzalez den Film von Dietrich de Velsa bei der Recherche zu seinem eigenen erotischen Psychothriller „Messer im Herz“ aufgestöbert – und direkt restaurieren lassen. Seine Liebe für den Film hat Yann freizügig in einem sinnlichen Video-Essay festgehalten. Ab 14. Januar kann man den wiederentdeckten Klassiker des erotischen Kinos aus Frankreich im Salzgeber Club sehen und auf DVD kaufen.
Die Salzgeber Buchverlage gratulieren Schriftsteller Edmund White, dessen neuer Roman „A Saint from Texas“ gerade vom Time-Magazin in die Liste „The 100 Must-Read Books of 2020“ aufgenommen wurde. Am 13. Januar feiert Edmund 81. Geburtstag.

Ein literarisches Highlight fürs neue Lebensjahr steht schon fest: Im April erscheint sein Memoir „Meine Leben“ bei Albino erstmals in deutscher Übersetzung. Mit der Veröffentlichung knüpft der Verlag an den Erfolg der autobiografischen Erzählungen in „City Boy“ an. Bei uns gibt es ein Interview mit dem Autor.
Und nicht zu vergessen ...

...  das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken geht in diesem Jahr online. Vom 17. bis 24. Januar ist auf der Homepage des Festivals das Programm der besten neuen Filme des jungen deutschsprachigen Kinos zu sehen. Wir sind dieses Jahr mit „Trübe Wolken“ vertreten.

In Christian Schäfers vielschichtigem Regiedebüt über einen stillen und eigentlich ziemlich durchschnittlichen Teenager bricht sich das Unheimliche vom Grund der tristen Normalität eines grauen Provinzstädtchens unaufhaltsam Bahn. Neben Kinostar Devid Striesow glänzen die beiden Newcomer Jonas Holdenrieder und Valerie Stoll in den Hauptrollen des atmosphärisch dichten Außenseiterporträts.

Wir drücken Christian und seinem Team die Daumen für das Festival und freuen uns darauf, „Trübe Wolken“ im Laufe des Jahres in die Kinos zu bringen.
Euch alles, alles Gute und Liebe aus der Prinzessinnenstraße!

Stay safe ...
facebook twitter youtube vimeo