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Mein Krieg

ein Film von Harriet Eder & Thomas Kufus

Deutschland 1989/90, 90 Minuten, deutsche Originalfassung

FSK 16

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Mein Krieg

Sommer 1941: Die deutsche Wehrmacht überfällt die Sowjetunion. Unter den Millionen deutscher Soldaten hatten einige wenige eine Schmalfilmkamera im Marschgepäck. Es war kein Propaganda-Auftrag, sie filmten aus Leidenschaft. Im Jahr 1989 erinnern sich sechs Soldaten, die diesen Krieg überlebt und gefilmt haben. Sie erzählen vom Baden im Schwarzen Meer, vom alltäglichen Töten und vom Zusammenflicken im Feldlazarett.

„Mein Krieg“ von Harriet Eder und Thomas Kufus ist ein einzigartiges Zeitdokument im doppelten Sinne: Es zeigt den Kriegsalltag samt all seiner Grauen mit den irritierend privaten Kamerablicken der Soldaten, die Teil von ihm waren. Und es lässt sechs Zeitzeugen zu Wort kommen, die sich knapp 50 Jahre später von ihren Aufnahmen in die Vergangenheit zurückversetzen lassen. Wie blicken die ehemaligen Soldaten nun auf „ihren“ Krieg? Und wie ist unser Blick, der dabei auf sie fällt? Der vielperspektivische Dokumentarfilmklassiker erscheint jetzt erstmals in digital restaurierter Fassung.

Langinhalt

„Man ist gleich wieder drin in der damaligen Zeit. Was fehlt, ist ja nur der Ton von damals“, sagt ein ehemaliger Soldat beim Betrachten seiner stummen Filmaufnahmen. „Damals“, das war während des Zweiten Weltkriegs, 1941, als die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel. Unter Hunderttausenden deutschen Soldaten filmten einige wenige mir ihren Schmalfilmkameras die Welt um sie herum. Eine Leidenschaft, die mit dem Verlauf des Kriegs immer mehr schwand, so wie auch das Rohfilmmaterial immer rarer wurde. Den Aufbruch der ersten Wochen drehten sie verschwenderisch. Beim Rückzug, die drohende Niederlage vor Augen, brechen die Aufnahmen ab.

Ende der 1980er Jahre machen sich Harriet Eder und Thomas Kufus auf die Suche nach diesen persönlichen Filmdokumenten, die es im ganzen Land noch geben musste, aufbewahrt in Schachteln und Schubladen, in Schränken auf Böden und in Kellern. Nach einer aufwendigen Recherche in der Bundesrepublik und in Berlin melden sich ehemalige Soldaten, die den Zweiten Weltkrieg gefilmt und überlebt haben. Die Filmemacher:innen lernen sie kennen, man sichtet zusammen, führt Vorgespräche. Bei vielen der Männer ist der Drang zu erzählen groß. Erinnerungen werden lebendig: Baden im Schwarzen Meer, das tägliche Töten, Zusammenflicken im Feldlazarett. Die Perspektive, der private Blick, ist das Auffällige an diesen Bildern. Unter welchem Blickwinkel sehen die ehemaligen Soldaten diesen Krieg? Und wie ist unser Blick, der dabei auf sie fällt?

Trailer

Interview
AUS EINEM GESPRÄCH ZWISCHEN CHRISTIANE GREFE, HARRIET EDER UND THOMAS KUFUS (1990)

Grefe: Ich finde es ja interessant, dass die Protagonisten Eures Films überhaupt solche Dinge gedreht haben, z.B. dass sie tatsächlich den toten Piloten nach einem Abschuss, Begräbnisse und auch die eigenen Toten gedreht haben. Haben sie sich selbst als Dokumentaristen empfunden, als objektive Quellen für die Nachwelt?

Kufus: Das Verhalten der Filmamateure hat sich während des Krieges verändert. Einerseits war es sicherlich mehr als ganz private Erinnerung fürs Familienalbum gedacht. Andererseits waren sie sich ihrer besonderen Möglichkeiten mit der Filmkamera bewusst, als Dokumentaristen für ihre eigene militärische Einheit zu fungieren. Das Bild eines Toten ist Ausdruck eines persönlichen Schreckens, und der wurde genauso festgehalten wie der Vormarsch oder das Essen. Das Töten gehörte eben auch zum Alltag.

Eder: Wir haben in den Archiven endlos lange Wochenschauen gesichtet und festgestellt, dass die eigenen Toten darin kaum vorkamen. Wir haben von vornherein vielmehr Wert auf den privaten Aspekt, die persönlichen Eindrücke gelegt.

Grefe: Habt Ihr wirklich ausschließlich Amateurmaterial benutzt?

Kufus: Wir hatten das Glück, dass wir von den Leuten, die sich bei uns gemeldet haben, sechs ehemalige Soldaten auswählen konnten, die so umfangreiches Filmmaterial besaßen, so dass wir damit den ganzen Kriegsverlauf im Groben darstellen konnten, also von der militärischen Ausbildung bis zum Rückzug. Deshalb haben wir eben auch mit sechs Protagonisten die Interviews gemacht. Das hat die Struktur des Filmes sehr stark bestimmt, aber wir haben nur das Filmmaterial der Protagonisten verwendet.

Grefe: Man sieht ja, dass ihr während der Interviews den Männern die Filmaufnahmen gezeigt habt.

Eder: Ja, das alte Filmmaterial ist sehr unterstützend für die Erinnerung. Es gibt die Ausflüchte, die es sonst bei Erklärungen gibt, nicht mehr so ohne weiteres. Da liegt konkret ein abgeschossener, toter Pilot, das zwingt zur Genauigkeit.

Kufus: Da konnten sie nicht mehr ausweichen, weil die Aufnahmen ja von ihnen stammten, da mussten sie sich erinnern. Auffällig ist ja – das haben wir erst später am Schneidetisch gemerkt –, dass sie versucht haben, sich über die Sprache zu distanzieren. Sie sprechen von „sie“ oder „wir“, selten von „ich“, so als sei der Einzelne nicht dabei gewesen. Eine ganz merkwürdige Verschiebung geschieht da.

Grefe: Was mich sehr beeindruckt hat, ist, dass selbst gegen Ende des Krieges immer noch diese Männerrituale vom Militär aufrechterhalten werden, von Leuten, die zusammen die letzten Horrorsituationen erlebt haben, dass sie sich trotzdem noch zackig grüßen und in der Hierarchie stecken bleiben.

Kufus: Der letzte Rest von Ordnung, der die Soldaten noch zu etwas anhält oder einen Sinn gibt…

Eder: Denn sonst würde sich das ja auflösen, diese Disziplin untereinander. Ich vermute, je mehr die Ordnung zerstört wird, desto stärker werden diese Ritualisierungen, oder desto fester müssen sie sein. Erst nach 1944 sprechen sie über die Sinnlosigkeit. Vorher denken sie nicht ans Abhauen, ans Desertieren. In dem Moment, als diese Disziplin aufgehoben wird, da trat das Chaos ein, wie in diesen Rückzugsbildern.

Kufus: Diese Details waren uns – als wir das Thema angingen – gar nicht so deutlich. In den Gesprächen mit den ehemaligen Soldaten, die ja fast zwei Generationen älter sind als wir, stießen wir immer wieder auf neue Aspekte, die wir beim Recherchieren gar nicht vorhersehen konnten.

Grefe: Was zum Beispiel?

Kufus: Der Umgang mit den Gefangenen. Gesprochen wird immer von der großen Zahl der Gefangenen, aber dass sie ja auch versorgt werden müssen, und was mit ihnen passiert, darüber habe ich mir vorher nie Gedanken gemacht. Es gab kaum Bilder dazu, und herausbekommen haben wir auch wenig Konkretes in den Interviews. Das war z.B. ein Problem für uns, weil wir uns ja nur auf das vorhandene Amateurmaterial stützen wollten und in der Beantwortung dieser Frage dann unserer Montage vertrauen mussten. Wir konnten den wahrscheinlichen Tod dieser Gefangenen nicht zeigen.

Biografie

THOMAS KUFUS (Regie & Buch), geboren 1957 in Essen, startete seine Karriere als Regisseur. Seine Filme „Mein Krieg“ (1989; Co-Regie: Harriet Eder) und „Blockade“ (1991) gelten heute als Klassiker des deutschen Dokumentarfilms. 1990 gründete er die Produktionsfirma zero film (ab 2006 zero one film), mit der er in den vergangenen drei Jahrzehnten zahlreiche preisgekrönte Dokumentar- und Spielfilme sowie Serien produzierte, u.a. Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (Deutscher Filmpreis 2016), Corinna Belz‘ „Gerhard Richter Painting“ (Deutscher Filmpreis 2012) und Andres Veiels „Beuys“ (Deutscher Filmpreis 2018). 2008 entwickelte und realisierte er zusammen mit Volker Heise die Fernseh-Dokuserie „24h Berlin – Ein Tag im Leben“, die 2010 u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Kufus zählt zu den aktivsten unabhängigen Filmproduzenten in Deutschland. Er ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und der Deutschen Filmakademie, deren Vorsitzender er von 2009 bis 2015 gewesen ist.

Credits

Crew

Regie

Harriet Eder, Thomas Kufus

Buch

Thomas Kufus (Konzept)

Kamera

Johann Feindt

Kamera-Assistenz

Ralf Klingelhöfer

Schnitt & Ton

Arpad Bondy

Mischung

Michael Eiler

Redaktion

Martin Wiebel

eine Produktion von Känguruh-Film GmbH (Berlin) und zero one film GmbH (Berlin)
in Zusammenarbeit mit Westdeutscher Rundfunk (WDR) (Köln)

im Verleih von Salzgeber

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