
von Todd Paris
Hardcover, 240 × 320 mm, 160 Seiten
103 Fotos
Texte auf Deutsch und Englisch
Veröffentlichung: 19. August 2025
„Day Dreaming“ stößt das Tor zu einer Welt auf, in der nackte Körper zu Kunstwerken werden. Junge Männer zeigen sich in all ihrer Stärke, Verletzlichkeit und Schönheit. Sie eröffnen einen Dialog über Sehnsüchte und Träume und werden eins mit den künstlerischen Visionen des Fotografen Todd Paris. Seine Bilder beeindrucken als strahlende Kompositionen aus Körpern, Gesten, Farben und Licht – als Hymne an die Schönheit.
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“Day Dreaming” opens the door to a world where naked bodies become works of art. Young men show themselves with all of their strength, beauty and vulnerability. They invite us into a dialogue about dreams and desires, becoming one with the artistic vision of photographer Todd Paris. His images are radiant compositions made of bodies, gestures, color and light: hymns to beauty.
Meine Mutter und ihr Bruder waren noch Kinder, als ihnen mein Großvater eine Dunkelkammer einrichtete. Ihre halbe Jugend verbrachten sie mit dem Entwickeln selbstgeschossener Fotos – ganz die alte Schule. Später arbeitete meine Mutter eine Zeitlang als Fotomodell, und nach der Hochzeit war die Kamera meines Vaters ihr ständiger Begleiter. Unser gesamtes Familienleben, jeder Ausflug wurde festgehalten und bei Diaabenden an die Wohnzimmerwand projiziert, zur Freude von Freunden und Verwandten.
Wenig überraschend zog es auch mich zur Fotografie. Einen entsprechenden Abschluss strebte ich zwar nicht an. Aber während meines Studiums in Stanford und an der UCLA belegte ich immer wieder Kurse im Fotolabor, um mich mit Schwarz-Weiß-Fotografie und den technischen Finessen der Bildbearbeitung vertraut zu machen.
Als um 2007 anspruchsvollere Bildbearbeitungsprogramme auf den Markt kamen, war ich sofort Feuer und Flamme. Analoge Verfahren waren mir soweit vertraut, aber was digitale Bildbearbeitung anging, war ich blutiger Anfänger. Ich nahm mir vor, erst dann nach Models Ausschau zu halten, wenn ich mich technisch sicher fühlte, und so entstanden in den nächsten Jahren unzählige Selbstporträts, während ich mich durch Berge von Büchern über Studiofotografie, den richtigen Umgang mit Models, Bildbearbeitung und fotorealistische Malerei wühlte.
Irgendwann war ich bereit für den nächsten Schritt und machte mich an die Einrichtung meines Fotostudios. Um Platz zu schaffen, musste der Flügel weichen, den ich Jahre zuvor angeschafft hatte, als meine große Leidenschaft die freie Improvisation war. Glücklicherweise fand sich sofort ein Käufer.
Auf der Suche nach Models, die meine Vision teilten, tummelte ich mich auf Craigslist, Model Mayhem und Instagram. Meine Grundregel war: keine Fotosession ohne vorheriges Treffen. Einmal, weil man dem Internet nicht trauen kann, und dann, weil ich sie dadurch als Personen mit ihren ganz individuellen Wünschen, Zielen und Eigenheiten kennenlernen konnte, was die Arbeit im Studio immens erleichtert.
Gelegentlich werde ich für Modefotos angefragt, aber solche Angebote schlage ich meist höflich aus. In meinen Augen dient Kleidung vor allem dazu, dass man sie ablegt – ein Zwischenstopp auf dem Weg zum eigentlichen Ziel.
Eine andere Frage, die ich gelegentlich zu hören bekomme: „Wer, bitteschön, will denn Aktfotos machen? Und was sind das für Leute, die sich dafür hergeben?“ Dabei ist es durchaus nichts Ungewöhnliches, den menschlichen Körper in seiner Nacktheit zu zeigen: Correggio, Caravaggio, Rodin, Michelangelo, Donatello, Cézanne, Manet, Degas und Picasso, sie alle haben ihn in ihren Werken verherrlicht, und nur im Mittelalter wurde seine Darstellung – weil nach christlichem Verständnis alles Fleisch sündhaft ist – aus dem Kulturleben verbannt.
Freundlicherweise änderte sich das mit der Renaissance, aber angesichts der gegenwärtig tobenden Kulturkämpfe kann man nur hoffen, dass uns kein neues dunkles Zeitalter bevorsteht.
Aktfotos von mir selbst zu machen war lehrreich – ich weiß um meine Schokoladenseiten, und wichtiger noch: wie verletzlich man ist, wenn man nackt posiert. Ohne diese gesteigerte Empfindlichkeit für mein eigenes Abbild würde es mir am Gespür für die Empfindlichkeiten meiner Models fehlen; ohne diese Erfahrung könnte ich mich nicht im selben Maße in sie einfühlen.
Models entscheiden sich aus ganz unterschiedlichen Gründen fürs Modellstehen: einer hatte vor kurzem den Krebs besiegt und suchte nach künstlerischen Ausdrucksformen, um seinen wiedergewonnenen Körper zu feiern; ein anderer, aufgewachsen in den entlegensten Appalachen, hatte endlich seinem Drang nach der Großstadt nachgegeben und wollte das Großstadtleben in all seinen Facetten kennenlernen; einer hatte allzu lang auf einer Ranch in Oregon gearbeitet und nun den Sprung nach Hollywood gewagt, um es mit dem Show-Business wenigstens versucht zu haben; einer war Maler und Bildhauer und wollte sich und seinen Körper in einem anderen künstlerischen Medium ausprobieren; ein anderer hatte sich in den Kopf gesetzt, einmal um die ganze Welt zu reisen und finanzierte sein Abenteuer, indem er an jeder Station Modell stand, selbst wenn’s damit nur fürs Couchsurfen reichte; ein anderer war Luftakrobat in einem Wanderzirkus und wollte sein reiches Repertoire jeder Erdenschwere spottender Posen im Bild festgehalten sehen; manche wollten den fotografischen Nachweis, dass die Monate intensiven Bodybuildings nicht umsonst gewesen waren; einige empfanden ihre Körper als entstellt (durch Narben, Vitiligo, Muttermale) und wollten ihre Scheu überwinden; andere waren mit Recht stolz auf ihre schönen Körper und wollten sich unbedingt zeigen; wieder andere wollten ihre Portfolios um Aktaufnahmen ergänzen; und die übrigen posierten für Aktfotos, weil sie darin eine Herausforderung sahen, der sie nicht länger ausweichen durften, wenn sie irgendwann zu ihrem wahren Ich finden wollten.
In der Welt der sozialen Medien sind Selfies und sogar Nackt-Selfies allgegenwärtig. Doch selbst, wenn heute jeder jederzeit einen Schnappschuss machen und Filter drauflegen kann – zu wirklichen Fotografien werden Bilder erst durch einen einzigartigen Blickwinkel, durch sorgfältig komponierten Bildaufbau, Ausleuchtung, Inszenierung. Ich gebe meinen Models immer Regieanweisungen, um sie in imaginäre Welten zu versetzen, und bitte sie dann beispielsweise, einen Punkt an der Wand zu fixieren, als gäbe es dort, hoch oben auf dem zerklüfteten Fels, eine brennende Burg zu sehen – oder einen Engel, der inmitten eines blendenden Strahlenkranzes herabsteigt aus düsteren Himmeln. Solche fantastischen Details sollen Emotionen wachrufen, und die besten Aktmodels zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Körper ganz Ausdruck dieser Emotion werden.
Meine Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, sie ansprechend auszuleuchten und auf ihre Fantasiereisen zu schicken – eine Inszenierung, die sich in der digitalen Nachbearbeitung vollendet.
Und hier unterscheide ich mich von anderen Fotografen. Zuletzt war es geradezu Mode, Bildern einen rauen, unfertigen, scheinbar unbearbeiteten Look zu geben, und ich hoffe sehr, dass dieser Trend bald der Vergangenheit angehört. Mir ging es immer darum, meine Models bestmöglich in Szene zu setzen, alles soll kunstvoll sein und kunstvoll wirken – und keine falsche Natürlichkeit vorspiegeln. Ich arbeite meist in Farbe, weil ich es liebe, Filter zu mischen, mit vielfarbigem Licht zu malen, und verwende dunkle Hintergründe (und zuweilen Nebel), weil sich dadurch noch intensivere Farbwirkungen einstellen. Die Bilder werden bewegter, dramatischer – und damit sollte klar sein, welches Fach ich tatsächlich studiert habe.
Bei Aufträgen für Zeitschriften oder die Werbeindustrie ist die Reihenfolge immer gleich: Erst kommt das Moodboard – dann sucht man nach einem Model, das diesen Vorgaben entspricht. Ich verfahre genau umgekehrt: Ausgangspunkt meiner Arbeiten ist stets das individuelle Model, sie sind Herz, Seele und Körper meines Werks, um sie herum erschaffe ich meine Welten.
Auch früher schon haben mich gute Freunde immer wieder ermutigt, meine Fotografien in unterschiedlichen Formaten zu zeigen, ob als gerahmte Drucke in Bars oder als Dialeuchtkästen in großen Galerien. Darum freut es mich, allen, die meine Vision des jungen männlichen Körpers teilen und zugleich die haptischen Qualitäten von Papier schätzen, dieses, mein erstes Buch zu präsentieren.
Todd Paris – 2025
When my mother and her brother were kids, my grandfather built them a darkroom. They grew up shooting film and developing their own prints in the “old-school” style. My mom was a model when she was young, and after she married my dad, he and his camera were never far away. They both loved the 35mm-slide medium, and so every family trip or activity was projected on our living room wall for visitors to enjoy.
It was no surprise that I was drawn to this pursuit. Although still photography was not part of my major, I took several relevant lab classes at Stanford and UCL A. These were black and white courses, focusing on darkroom techniques.
Around 2007, with the emergence of more sophisticated photo editing software, I rediscovered my passion for still photography. While I had a good deal of darkroom experience, I had never done my own digital editing and was eager to learn this “new” technique. Because I was a complete neophyte, I was hesitant to ask models to pose for me until I felt confident in my skillset. Thus began my self-portrait phase. Over the next few years, I devoured a vast number of books about shooting, directing models, photomanipulation and photoreal art.
Once I finally felt proficient, my next step was to create a studio. The only available space in my home was occupied by a grand piano I had purchased years ago when my passion was music, specifically spontaneous improvisation. Luckily, I found an eager buyer and freed up the space I needed.
I reached out through Craigslist, Model Mayhem and Instagram to find models who wanted to share my vision. I never booked a session without meeting the model in person first. This was partly internet common sense but, equally importantly, it was also a chance to get to know the models better prior to shooting. Being familiar with their backgrounds, goals and emotional temperaments helped me direct them.
I am sometimes asked to do fashion photography, but I politely decline. For me, clothing is simply something to be removed — it’s like a rest stop along the highway to your actual destination.
Another question I am asked is: “Why would anyone want to create nude art, and why would anyone want to pose for it?” Perhaps the best people to ask are no longer with us: Caravaggio, Rodin, Michelangelo, Donatello, Cézanne, Degas, and Picasso, all of whom celebrated the nude form in their work. It was only during the Middle Ages, when weaponized Christianity condemned the naked body as sinful and shameful, that the nude receded from popular culture. Luckily, the Renaissance changed all that, but in light of today’s rabid culture wars, I pray we don’t regress into a second Dark Age.
Doing nude self-portraits taught me a lot about posing — not only which angles were inherently flattering and which were not, but also about being vulnerable. This heightened sensitivity to my own image made me equally aware of the models’ sensitivities. I believe this experience gave me a level of empathy I would not have gained otherwise.
The models had their own reasons for posing: one had recently won his battle against cancer and wanted to celebrate his healed body via artistic expression; another, having spent his entire life in rural Appalachia, yearned to visit a big city and do big city things; one had until recently been a ranch hand in Oregon but had escaped to Hollywood to see if he could make it in show business; one was a painter/sculptor who wanted to use his body to create art in another medium; another was hell-bent on traveling the world and funded his adventure by taking on modeling work at different stops on his travels, even if it meant couch-surfing; another was an aerialist in a traveling circus who had mastered an amazing assortment of gravity-defying poses that he wanted to see in print; some wanted to help create something artistic to show off the many months they had invested in bodybuilding; others sought to overcome their insecurities over an unwanted bodily feature (a scar, vitiligo, unique birthmark, etc.); while others were justly proud of their beautiful bodies and wanted other people to enjoy them artistically; still others were building their portfolios and wanted some artistic nudes to complement their commercial and lifestyle poses; and the rest saw nude modeling as an integral part of their journey of self-discovery — namely meeting a new challenge head-on and working through it.
In today’s world of social media, self-portraits and even self-nudes are ubiquitous. But as I was taught, anybody can take a “snapshot” (and in today’s world, anyone can apply a filter). A “photograph” requires a unique point of view manifested through composition, lighting, drama or actual perspective. When posing my models, I use verbal cues to place them in imaginary settings. For example, I might ask them to look at a spot on the wall and imagine they can see a castle burning on a craggy hilltop or a radiant angel descending from ominous skies. I deal in specificities to evoke emotions. The best models in my genre can feel emotions and express them through their bodies. My job is to light them and guide them through this psychic adventure. The process is completed in the editing stage.
And this is where I differ from other photographers. Recently, there has been a trend in editing towards a rough, messy, unfinished look. I hope that this trend is over by now because my goal has always been to make my models look their very best. I want the whole scene to be artful and deliberate — not faux haphazard. Most of my work is in color because I love painting in the studio with different colored gels. Dark backgrounds allow me to maximize my use of colored light and sometimes fog. This creates drama — and now you know what my actual college major was.
Editorial and commercial photographers usually start with an assignment or mood board and then cast the model. I work in exactly the opposite direction. I start with the heart, soul and body of the model and then create my oeuvre around them.
Over the years, my friends have encouraged me to exhibit my work in various ways, including framed prints in bars or backlit panels in large galleries. But with this, my first book, I look forward to sharing my vision of the young male body with connoisseurs who appreciate the feel of real paper and the permanence of a book.
Todd Paris – 2025
Die Galerie und das Material enthalten zensierte Fotos. An die Presse verschicken wir auf Anfrage gerne die unzensierten Bilddateien. Diesbezügliche Anliegen richten Sie bitte an: