ein Film von Olivier Meyrou
Frankreich 2007/2018, 73 Minuten, französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
FSK 0
Kinostart: 26. September 2019
Paris, 2001. Yves Saint Laurent skizziert, bereits schwer von Krankheiten gezeichnet, die Entwürfe für seine letzte Kollektion. Unterdessen richtet sein Lebens- und Geschäftspartner Pierre Bergé eine Serie von Feiern aus, um das kolossale Werk des Modedesigners zu würdigen. Regisseur Olivier Meyrou begleitet Saint Laurent in den letzten Karrierejahren und wirft dabei vor allem ein Licht auf die komplexe Beziehung zwischen ihm und seinem Partner. Bergé schützt den introvertierten Künstler vor der Außenwelt und hält ihn so erst überlebensfähig – doch Saint Laurent lässt sich von ihm auch durch das Leben führen wie ein Schlafwandler, der nie erwachen darf.
„Celebration“ wurde bereits 2007 im Panorama der Berlinale uraufgeführt. Pierre Bergé höchstpersönlich ließ die weitere Veröffentlichung des Films zu seinen eigenen Lebzeiten verbieten. Erst 2018, ein Jahr nach Bergés und ein Jahrzehnt nach Saint Laurents Tod, konnte Meyrou eine leicht veränderte Schnittfassung des Films in die französischen Kinos bringen – und wurde dafür von der französischen Filmkritik selbst gefeiert.
Ich war zweieinhalb Jahre lang „embedded“ bei Yves Saint Laurent. Pierre Bergé wollte ein Zeichen setzen. Als Yves Saint Laurents Ruhestand näher rückte, organisierte Bergé eine Reihe von zum Teil bemerkenswerten Happenings und Events auf aller Welt, um YSL zu feiern. Ich benutzte diese Abfolge von Feiern, diesen veritablen Schwanengesang als Basis für den Spannungsbogen meines Films.
Yves Saint Laurent zu filmen glich dem Versuch, zwei verschiedene Figuren gleichzeitig zu filmen: Auf der einen Seite die historische Gestalt, auf der anderen einen Mann im körperlichen Verfall, der unablässig arbeitet. Ich brauchte eine visuelle Struktur, um diese Situation wiederzuspiegeln. Mir kam die Idee, abwechselnd in schwarzweiß und in Farbe zu drehen. Schwarzweiß, um das Bild des Menschen zu evozieren, der seinen Platz in der Geschichte bereits gefunden hat, und Farbe, um das Gefühl von Nähe und Mitgefühl mit dem zerbrechlichen, aber noch höchst lebendigen Mann zu erzeugen, der er zu der Zeit war, als wir den Dokumentarfilm drehten.
Ich wollte das kollektive Abenteuer hinter dem Ruhm des Modeschöpfers enthüllen. Das Haus YSL ist ein Sinnbild der französischen Gesellschaft im Kleinen, mit seinen Näherinnen, Managern und zwei sehr reichen Männern an der Spitze. Ich verbrachte mit den Näherinnen ebenso viel Zeit wie mit Yves Saint Laurent. Die Näherinnen in den luxuriösen Räumen der Villa bei der Arbeit zu filmen, ermöglichte es mir, in eine Geschichte von so außergewöhnlichen Proportionen ein gewisses Maß an Normalität einzuführen. Die Näherinnen verfolgten dasselbe Ziel wie Yves Saint Laurent und teilten seine Leidenschaft, seine Entwürfe zum Leben zu erwecken, doch sie bekamen ihn nur selten zu Gesicht, und wenn, dann aus der Entfernung der oberen Stockwerke. Diese beiden einander so nahen und doch so verschiedenen Welten zu filmen, gab uns die Möglichkeit, die Geschichte dieses Modehauses zu erzählen.
Die Kamera am richtigen Moment am richtigen Ort aufzustellen, wurde sofort belohnt. Einen Moment in unverblümter Dokumentarfilmmanier einzufangen, wie zum Beispiel bei Yves Saint Laurents Geburtstag, verwandelte ein Stück Leben in reine Fiktion. Wir mussten nur solche Situationen von allen Etagen des Modehauses zusammentragen und in ihrer Aussage verdichten. Manchmal ist uns das gelungen. Für mich waren die Dreharbeiten an diesem Film eine Reibung in der Inszenierung von Dokumentarfilmen.
Für Yves Saint Laurent ging es stets um die richtigen Bilder, aber der Modeschöpfer war kamerascheu. Er igelte sich in seinem Arbeitszimmer ein. Die Lösung des Problems, unter solchen Bedingungen über längere Zeit hinweg zu filmen, bestand unserer Ansicht nach in der Anwendung der Techniken von Tierfilmern. Am ersten Tag der Dreharbeiten in Yves Saint Laurents Arbeitszimmer saßen wir in einer Ecke des Raumes auf dem Fußboden und verhielten uns so unauffällig, wie es beim Drehen mit einer Filmkamera nur möglich war. Und wir warteten. Yves Saint Laurent kam nicht. Wir hielten einige Tage durch, denn große Katzen müssen früher oder später zum Wasserloch kommen, und Yves Saint Laurent musste früher oder später an seinen Schreibtisch, um seine Kollektion zu entwerfen.
Eines Tages kam Yves Saint Laurent und setzte sich an seinen Zeichentisch. Er ignorierte unsere Anwesenheit, die in einem Raum von einhundert Quadratmetern unweigerlich störend gewirkt haben muss, so gut es ging. Sein Hund Moujik saß wachsam an seiner Seite, und Yves Saint Laurent gewöhnte sich allmählich daran, dass wir da waren. Selbst bei der Arbeit war Yves Saint Laurent furchtsam und kurz angebunden. Seine Art zu schauen, sich zu bewegen und Stoffe zu berühren sagte mehr über ihn als alle Worte. Es war sinnlos, ihn interviewen zu wollen.
In New York filmte ich ihn bei einem eigenartigen Gespräch mit einer Journalistin der französischen Tageszeitung Le Figaro, die ihm Fragen über seine Karriere stellte. Wir inszenierten das Interview in Gegenlicht und schwarzweiß – Yves Saint-Laurent mit angespanntem Gesicht und die Journalistin, die er gut kannte und die dennoch Schwierigkeiten hatte, ihm auch nur die einfachste Frage zu stellen: Bilder, die seine umfassende Isolation besser zum Ausdruck brachten als Worte. Yves Saint Laurent glich seinen gespenstischen Entwürfen. Dem jungen Mann, dem aufstrebenden Künstler, dem kreativen und freudigen Revolutionär, den wir auf Andy Warhols Gemälden sehen, bin ich nie begegnet.
Pierre Bergé dagegen stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen. Bei ihm bestand meine Arbeit darin, hinter die Fassade seines öffentlichen Auftretens zu gelangen, um einen Eindruck von dem Mann zu bekommen, der alles unter Kontrolle hatte. Er engagierte sich rückhaltlos für die Dinge, an die er glaubte. Als ich diesen mächtigen Mann filmte, versuchte ich, seine kindliche Seite einzufangen. Er würde alles tun, um seinen Traum zu verteidigen. Seine Energie, sein Stolz, seine Wutanfälle und seine Unaufrichtigkeit, sein Ärger wurde anrührend und komisch. Wenn er verwirrt war, glich Pierre Bergé den verrückten komischen Figuren, die Louis de Funès spielte.
Ich habe Yves Saint Laurent kennengelernt, ohne je mit ihm ein Gespräch zu führen. Mit Pierre Bergé wiederum hatte ich viele Gespräche. Die Umrisse dieses Films, die Geschichte, die er erzählt, ist von dem geprägt, was ich mit ihnen erlebte und was ich in dieser Zeitspanne beobachten konnte.
OLIVIER MEYROU (Regie) wurde 1966 im französischen Anthony geboren. Er studierte zunächst Literatur- und Kommunikationswissenschaft, dann Film an der Hochschule La Fémis in Paris und der Tisch School of the Arts in New York. Sein Dokumentarfilm „Beyond Hatred“ über eines jungen schwulen Franzosen, der in Reims von drei Skinheads ermordet wurde, erhielt 2006 den Teddy Award der Berlinale.
YVES SAINT LAURENT, geboren 1936 im algerischen Oran, gestorben 2008 in Paris, gilt als einer der erfolgreichsten Modeschöpfer seiner Zeit. Als revolutionärer Designer wirkte er im Laufe seiner über 45 Jahre umspannenden Karriere vielfach stilbildend, insbesondere im Bereich der Haute Couture. Saint Laurent lebte ab 1953 in Paris und begann seine Karriere als Assistent von Christian Dior. 1961 gründete er zusammen mit seinem Lebens- und Geschäftspartner Pierre Bergé, den er 1958 kennengelernt hatte, sein eigenes Unternehmen, Yves Saint Laurent Couture. Zu seinen vielen bahnbrechenden Kreationen aus dieser Zeit gehören das „Mondrian-Kleid“ (1965), ein vom niederländischen Maler Piet Mondrian inspiriertes Cocktail-Kleid, und „Le Smoking“ (1967), ein Hosenanzug für Frauen. Zusammen mit Bergé entwickelte er sein Haus in den folgenden Jahrzehnten zu einer der stärksten Marken im internationalen Modebetrieb. 2002 zog er sich aus dem Modegeschäft zurück und lebte seitdem weitgehent isoliert, vor allem in seiner Villa Jardin Majorelle in Marrakesch und in seiner Pariser Wohnung in der Rue de Babylone. 2007 wurde bei dem Designer, der große Teile seines Lebens mit Depressionen, Angstzuständen und Suchterkrankungen zu kämpfen hatte, ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert. Saint Laurent starb am 1. Juni 2008 in Paris. Kurz zuvor besiegelten er und Bergé mit einer formellen Heirat ihre lebenslange Verbundenheit.
PIERRE BERGÉ, geboren 1930 auf Île d’Oléron, gestorben 2017 in Saint-Rémy-de-Provence, gilt als einer der einflussreichsten europäischen Modeunternehmer und Mäzene des 20. Jahrhunderts. Bergé zog 1948 nach Paris und war von 1950 bis 1958 der Lebensgefährte und Agent des Malers Bernard Buffet. 1958 lernte er Yves Saint Laurent kennen und wurde sein Lebenspartner. Zusammen gründeten sie 1961 das nach Saint Laurent benannte Modehaus. 1976 trennten sie sich, blieben sich aber als Freunde und Geschäftspartner eng verbunden. In ihren 50 gemeinsamen Jahren arbeiteten die beiden nicht nur im Modebereich höchst erfolgreich zusammen, sie bauten auch eine der größten privaten Kunstsammlungen der Welt auf. Als Mäzen engagierte sich Bergé zudem für zahlreiche kulturelle und soziale Projekte: Er förderte u.a. maßgeblich die Gründung des Opernhauses Opéra Bastille in Paris, war Ehrenpräsident der Pariser Opéra National, kümmerte sich um die künstlerische Nachlässe von Jean Cocteau und Émile Zola, unterstützte das Schaffen von Robert Wilson und Peter Brook und spendete 1998 für den Obelisken auf dem Place de la Concorde ein Pyramidion aus vergoldeter Bronze. Er war Mitgründer des französischen LGBT-Magazins Têtu, unterstützte die Aids-Aktivistengruppe ACT UP und war ab 1996 Präsident der Aids-Organisation Sidaction. 2017, neun Jahre nach dem Tod Yves Saint Laurents, starb Bergé an den Folgen einer Muskelerkrankung.
Regie
Olivier Meyrou
Kamera
Jean-Marc Bouzou, Florian Bouchet
Schnitt
Cathie Dambel, Amrita David
Musik
François-Eudes Chanfrault
Ton
Yolande Decarsin, Ludovic Escallier
Tonschnitt und -mischung
Sébastien Savine
Produzenten
Bénédicte Couvreur, Christophe Girard
eine Produktion der Hold-Up Films
im Verleih von Salzgeber