Der Junge aus Ilocos

Der Junge aus Ilocos

von Blaise Campo Gacoscos

Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Diesel

Klappenbroschur, 152 Seiten

Veröffentlichung: April 2025

Zum Buch im Salzgeber.Shop

Der Junge aus Ilocos

Die Ilocos-Region im Nordwesten der Philippinen ist voller Widersprüche. In der Kultur der Ilocanos treffen jahrhundertealte Traditionen auf die Einflüsse der modernen Hauptstadt Manila, agrarischer Pragmatismus auf christliche Gottergebenheit. Victor ist ein Kind dieser Welt. Nachdem sein Vater die Familie für eine neue Frau verlassen hat, lebt der Junge mit der Mutter, Bruder Raffy und seinen Großeltern in bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Haus am Quinarayan-Fluss. Die Jahre seiner Jugend sind gezeichnet von familiärer Geborgenheit, aber auch von Verunsicherungen aufgrund des niedrigen sozialen Status der Familie und dem frühen Bewusstsein für seine Homosexualität.

Diese zwei Faktoren prägen Victors Leben, dem der Roman bis ins mittlere Alter folgt – in die Metropole, ins Milieu greller Schlagzeilen und des großen Geldes, in düstere Rattenlöcher, trunkene Aha-Momente, schwule Badehäuser und trügerische Episoden des Glücks. Am Ende führt der Weg jedoch zurück nach Ilocos. Wo sich ein Kreis schließt und eine Lücke füllt, aber die alten Widersprüche dennoch bestehen bleiben.

In acht konzisen Kapiteln beleuchtet Blaise Campo Gacoscos in „Der Junge aus Ilocos“ schlaglichtartig unterschiedliche Phasen in Victors Leben – von frühen Aufbrüchen über die erste Liebe bis hin zu zweifelhaften Erfolgen und der Ernüchterung danach. In Victors Erfahrungen und Begegnungen spiegeln sich teils die Spannungen der philippinischen Gegenwartsgesellschaft, teils die Biografie des Autors wider. Ein kleiner, lebensweiser Roman über Herkunft, Identität und die reinigende Kraft des Loslassens.

BIOGRAFIE

Blaise Campo Gacoscos wurde 1968 in Candon, Ilocos Sur, geboren. Er erwarb seinen Bachelor of Arts in Vergleichender Literaturwissenschaft an der Diliman-Universität in Quezon City, wo er auch seinen Master in Kreativem Schreiben abschloss. Er war Stipendiat des Nationalen Sommer-Workshops für Autoren in Baguio City. „Der Junge aus Ilocos“ (OT: „Kites in the Night“) ist sein erster Roman.

LESEPROBE
Auszug aus „Der Junge aus Ilocos“

Eines Tages bekam Victor Besuch. Es handelte sich um Jennifer, eines der verwaisten Enkelkinder von Nana Ylang. Sie hatte einen Brief dabei, den ihr älterer Bruder Greg an ihn geschrieben hatte. Im Gegenzug für diesen Botengang, so erzählte sie Victor, hatte ihr Bruder versprochen, dass er ihr beibringen würde, mit dem Rad ihres Vaters zu fahren.
Victor öffnete Gregs Brief, der nach junger Liebe duftete. Dieses Schreiben bestätigte, was er die ganze Zeit schon geahnt hatte. Auf dem Abschlussball der Oberstufe, unter dem verträumten Lichterglanz der Discokugel, hatten sie nur ein oder zwei Mal mit Freundinnen getanzt. Die meiste Zeit jedoch hatten sie zusammen am Rand gesessen und sich über ihre männlichen Mitschüler lustig gemacht, die bei den langsamen Tänzen versuchten, ihre Partnerinnen ganz nahe an sich heranzuziehen, nur um mit aller Wucht zurückgestoßen zu werden.

Eine der Lehrerinnen kam auf sie zu und fragte, warum sie nicht tanzten.

„Ist schon okay, Ma’am“, sagte Greg.

„Wir warten nur auf die richtige Musik, Ma’am“, sagte Victor.

Später am Abend gingen sie gemeinsam nach Hause, spazierten am Rand der Landstraße entlang; der Mond leuchtete ihnen den Weg. Die Meeresbrise war kühl, sodass Greg den Arm um Victors Schultern legte und ihn eine Weile dort ruhen ließ. Er fing an, eine Melodie zu summen, sagte aber kein Wort. Noch wusste Victor nicht, dass die unausgesprochenen Worte sich am Ende ihren Weg in einen Brief bahnen würden.

Victor faltete den Brief und trug Jennifer auf, ihrem Bruder auszurichten, dass er ihn später nach seiner Probe auf dem Innenhof der Kirche treffen solle. Jennifer lief mit der guten Nachricht zurück nach Hause, und ihre Zöpfe flatterten im Wind.

Am Nachmittag packte Victor seine Klavierbücher in die Tasche und ging zur Messe in die Kirche. Nach dem Gottesdienst blieb er noch etwas dort, um an der Orgel zu üben, die im Seitenschiff der Kirche stand. Er studierte ein Kirchenlied aus dem Buch ein, das Vater Abe ihm geschenkt hatte. Erst übte er die Noten für die rechte Hand, die die Melodie führten, und dann die Noten für die linke Hand, die dem Stück als Grundlage dienten. Nachdem er sich die Noten für jede Hand eingeprägt hatte, versuchte er, das Stück ganz langsam mit beiden Händen zu spielen, diesmal indem er über die Pedale die Bassstimme hinzufügte. Er war so sehr ins Üben vertieft, dass sein Herz für einen Moment aussetzte, als er den Priester in seiner Nähe bemerkte.

„Sie haben mir aber einen Schrecken eingejagt, Vater“, sagte er, stand auf und ging zu ihm, um zum zweiten Mal am heutigen Tag seinen Segen zu erhalten.

Vater Abe schien gerade etwas sagen zu wollen, als das beharrliche Schrillen einer Fahrradklingel vom Eingang her die Stille durchbrach. Der Klang hallte in der Kirche wider. Vater Abe drehte sich Richtung Eingang, woher das Klingeln kam. Vor der Tür stand ein junger Mann mit einem Fahrrad. „Das ist Greg aus unserer Nachbarschaft, Vater“, sagte Victor. „Er kommt mich abholen.“

„Ja, natürlich“, sagte Vater Abe.

Victor schloss die Orgel, breitete die Stoffabdeckung darüber und verabschiedete sich vom Pfarrer.

Greg begrüßte Victor mit einem zaghaften Lächeln; die Abenddämmerung senkte sich über sie herab. Er sah frisch und adrett aus, sein schwarzes Haar hatte er mit Gel zurückgekämmt. Er war ein Jahr jünger als Victor. Der warf seinen Rucksack über die Schulter und lief los. Greg ging zu Fuß neben ihm her, sein Rad schiebend. Nur das Geräusch der Reifen und das Knirschen ihrer Schritte auf dem Kies störten die Stille zwischen ihnen. Als sie sich Victors Haus näherten, fragte Greg, ob er seinen Brief gelesen habe. Victor sagte Ja, das hätte er. Greg stieg auf sein Rad und radelte, von einem plötzlichen Energieschub getrieben, davon.

Großvater saß auf dem Sofa, als Victor ins Haus trat. Er küsste ihn auf beide Wangen. Lolo sah ihn an und fragte: „Magst du Greg?“ Die Frage überraschte Victor. Lolo musste sie vom Haus aus beobachtet haben. Victor setzte sich neben ihn und legte den Kopf auf seine Brust, als wollte er seinem Herzschlag lauschen. „Liebe bedeutet Respekt“, sagte Lolo. „Wenn er Respekt vor dir hat, muss er dich lieben. Wenn nicht, dann musst du als Erstes für dich selbst Respekt aufbringen.“

Als Victor am folgenden Nachmittag zur Kirche ging, brachte Greg Jennifer gerade das Radfahren bei. Jennifer winkte ihm. Greg ermahnte sie, beide Hände auf dem Lenker zu lassen. Victor lachte ihnen zu. Greg sah Victor an und sagte, er würde ihn nach der Probe abholen. Victor nickte und ging.

Wieder blieb Victor nach der Messe in der Kirche. Er war völlig vertieft in seine Proben und studierte gerade die Noten eines Stückes, als auf einmal der Strom ausfiel. Die einzige Lichtquelle in der Kirche war nun die flackernde Kerze am Altar. Er bekam einen Schrecken, schloss rasch die Orgel und tastete nach seinen Sachen, die er auf der Kirchenbank abgelegt hatte, dann schoss er los, an ein paar Stationen des Kreuzwegs, der Statue des Heiligen Martin von Porres und dem Weihwasserbecken vorbei. Er war froh, als er das Portal der Kirche erreicht hatte. Erst dort packte er seine Sachen in den Rucksack. Greg war nicht gekommen, also machte er sich allein auf den Heimweg.

Immer noch außer Atem, ging er Richtung Hauptplatz. Die Rollschuhbahn war leer, aber hinter der hohen Zypresse saßen Liebespaare eng aneinandergeschmiegt. Am Straßenrand erkannte er seinen Hund, der allein herumstromerte. „Raniag!“, rief Victor. Der Hund wedelte energisch mit dem Schwanz und rannte auf ihn zu. „Wo hast du dich denn herumgetrieben? Und warum sabberst du so?“ Er neigte sich über seinen Hund und tätschelte ihm den Kopf. „Na komm!“, sagte er, und sie liefen Richtung Haus.

Am Morgen hörte Victor ein Klingeln aus dem Vorgarten. Er trat vors Haus und sah Greg, der einen Korb voller prächtig aussehender Mangos bei sich trug. Sein Fahrrad hatte er auf dem Gehweg abgestellt. Er sei gekommen, um sich zu entschuldigen, sagte er. Für seine Verspätung gestern. „Bist du böse auf mich?“, fragte er.

„Natürlich nicht“, sagte Victor. „Warum sollte ich?“

Greg strahlte und gab ihm den Korb mit den reifen Mangos. Er musste heute in aller Frühe in die Mangobäume seiner Großmutter geklettert sein, denn der Saft der Mangos hatte Spuren auf seinem Gesicht, seinem Hemd und seinen Händen hinterlassen. Victor nahm den Korb und bedankte sich.

„Heute komme ich rechtzeitig, versprochen“, sagte Greg und radelte zurück nach Hause.

Später am Tag, als Victor sich für die Messe vorbereitete, bemerkte er, dass eines seiner Notenhefte fehlte, ausgerechnet das, das Vater Abe ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Wie peinlich, dachte er. Was wird Vater Abe sagen, wenn er das herausfindet? Victor entschloss sich, früher zur Kirche zu gehen. Er richtete den Blick fest auf den Boden für den Fall, dass ihm das Heft gestern auf dem Heimweg aus dem Rucksack gefallen war. Sobald er in der Kirche war, suchte er im Seitenschiff, unter den Bänken und bei der Orgel danach, doch es blieb verschwunden.

Nach dem Gottesdienst trat Vater Abe, noch in seiner Soutane, aus der Sakristei. Er sprach mit einigen Gemeindemitgliedern, die nach der Messe dageblieben waren, und geleitete sie zum Ausgang; dabei legte er den Arm um eine ältere Frau. Als die Gemeindemitglieder gegangen waren, wollte er zum Altar zurückkehren, doch als er Victor an der Orgel sah, blieb er stehen. Nervös richtete Victor sich auf, als der Geistliche auf ihn zukam. Er nahm Vater Abes Hand und führte sie an seine Stirn.

„Du hast gestern dein Buch verloren, nicht wahr?“, fragte der Priester.

Victor stockte erst, ehe er antwortete: „Ja, Vater. Das tut mir sehr leid.“

„Schon gut“, sagte der Priester. „Manang Caring fand es heute Morgen auf einer der Bänke, als sie in der Kirche Staub wischte. Das Buch liegt wohlbehalten in meinem Zimmer.“

„Gott sei Dank!“, sagte Victor.

„Komm mit“, sagte Vater Abe.

Erleichtert folgte Victor Vater Abe die Stufen hinauf zum Altar, aber als er an die Chorschranke kam, blieb er stehen. Er war noch nie über diesen Punkt hinaus gegangen. Der Priester drehte sich um, sah ihn an und wartete, dass er ihm folgte. Victor beugte das Knie, ehe er über die Absperrung trat.

Im Altarraum konnte Victor nicht anders, als sich staunend umzusehen. Der heilige Josef mit seinem Bart in seiner Nische sah aus der Nähe viel charmanter aus. Die lächelnde Jungfrau und das Jesuskind wirkten prachtvoller in ihren goldenen Gewändern. Jesus mit der Dornenkrone am Kreuz war überlebensgroß. Er wandte das Gesicht zur Decke und sah dort Fresken voller Cherubim mit Heiligenscheinen und Trompeten und geflügelter Seraphim, die Harfe spielten, wie um den Messias in seinem Reich willkommen zu heißen. Victor war überwältigt von dem Anblick. Er lächelte Vater Abe an, der neben einer kleinen Ausgangstür stand. Victor ging vor dem Kreuz aufs Knie, dann folgte er dem Pfarrer in die Sakristei.

Während es im Altarraum nach Kerzenwachs, Blumen und Weihrauch geduftet hatte, stank es in der Sakristei nach den Ausscheidungen von Fledermäusen. Es war kühl, und der einzige Laut, den Victor hohen Zypresse saßen Liebespaare eng aneinandergeschmiegt. Am Straßenrand erkannte er seinen Hund, der allein herumstromerte. „Raniag!“, rief Victor. Der Hund wedelte energisch mit dem Schwanz und rannte auf ihn zu. „Wo hast du dich denn herumgetrieben? Und warum sabberst du so?“ Er neigte sich über seinen Hund und tätschelte ihm den Kopf. „Na komm!“, sagte er, und sie liefen Richtung Haus.

Am Morgen hörte Victor ein Klingeln aus dem Vorgarten. Er trat vors Haus und sah Greg, der einen Korb voller prächtig aussehender Mangos bei sich trug. Sein Fahrrad hatte er auf dem Gehweg abgestellt. Er sei gekommen, um sich zu entschuldigen, sagte er. Für seine Verspätung gestern. „Bist du böse auf mich?“, fragte er.

„Natürlich nicht“, sagte Victor. „Warum sollte ich?“

Greg strahlte und gab ihm den Korb mit den reifen Mangos. Er musste heute in aller Frühe in die Mangobäume seiner Großmutter geklettert sein, denn der Saft der Mangos hatte Spuren auf seinem Gesicht, seinem Hemd und seinen Händen hinterlassen. Victor nahm den Korb und bedankte sich.

„Heute komme ich rechtzeitig, versprochen“, sagte Greg und radelte zurück nach Hause.

Später am Tag, als Victor sich für die Messe vorbereitete, bemerkte er, dass eines seiner Notenhefte fehlte, ausgerechnet das, das Vater Abe ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Wie peinlich, dachte er. Was wird Vater Abe sagen, wenn er das herausfindet? Victor entschloss sich, früher zur Kirche zu gehen. Er richtete den Blick fest auf den Boden für den Fall, dass ihm das Heft gestern auf dem Heimweg aus dem Rucksack gefallen war. Sobald er in der Kirche war, suchte er im Seitenschiff, unter den Bänken und bei der Orgel danach, doch es blieb verschwunden.

Nach dem Gottesdienst trat Vater Abe, noch in seiner Soutane, aus der Sakristei. Er sprach mit einigen Gemeindemitgliedern, die nach der Messe dageblieben waren, und geleitete sie zum Ausgang; dabei legte er den Arm um eine ältere Frau. Als die Gemeindemitglieder gegangen waren, wollte er zum Altar zurückkehren, doch als er Victor an der Orgel sah, blieb er stehen. Nervös richtete Victor sich auf, als der Geistliche auf ihn zukam. Er nahm Vater Abes Hand und führte sie an seine Stirn.

„Du hast gestern dein Buch verloren, nicht wahr?“, fragte der Priester.

Victor stockte erst, ehe er antwortete: „Ja, Vater. Das tut mir sehr leid.“

„Schon gut“, sagte der Priester. „Manang Caring fand es heute Morgen auf einer der Bänke, als sie in der Kirche Staub wischte. Das Buch liegt wohlbehalten in meinem Zimmer.“

„Gott sei Dank!“, sagte Victor.

„Komm mit“, sagte Vater Abe.

Erleichtert folgte Victor Vater Abe die Stufen hinauf zum Altar, aber als er an die Chorschranke kam, blieb er stehen. Er war noch nie über diesen Punkt hinaus gegangen. Der Priester drehte sich um, sah ihn an und wartete, dass er ihm folgte. Victor beugte das Knie, ehe er über die Absperrung trat.

Im Altarraum konnte Victor nicht anders, als sich staunend umzusehen. Der heilige Josef mit seinem Bart in seiner Nische sah aus der Nähe viel charmanter aus. Die lächelnde Jungfrau und das Jesuskind wirkten prachtvoller in ihren goldenen Gewändern. Jesus mit der Dornenkrone am Kreuz war überlebensgroß. Er wandte das Gesicht zur Decke und sah dort Fresken voller Cherubim mit Heiligenscheinen und Trompeten und geflügelter Seraphim, die Harfe spielten, wie um den Messias in seinem Reich willkommen zu heißen. Victor war überwältigt von dem Anblick. Er lächelte Vater Abe an, der neben einer kleinen Ausgangstür stand. Victor ging vor dem Kreuz aufs Knie, dann folgte er dem Pfarrer in die Sakristei.
Während es im Altarraum nach Kerzenwachs, Blumen und Weihrauch geduftet hatte, stank es in der Sakristei nach den Ausscheidungen von Fledermäusen. Es war kühl, und der einzige Laut, den Victor hörte, war das Flügelschlagen der Tauben hoch oben im Dachstuhl. Messgewänder hingen in einem altertümlichen Schrank, dessen Spiegel das letzte Sonnenlicht des Tages reflektierte. Victor folgte Vater Abe durch den auf Hochglanz gebohnerten Flur. Der Santo Entierro, die Bahre mit dem Abbild von Christi Leichnam, der hier nach der Karwoche verstaut worden war, sah ohne die Prozession völlig unbedeutend aus. Eine Carroza aus Edelstahl parkte neben einem ausrangierten Beichtstuhl; ihre hölzerne Figur stand bis auf den Heiligenschein nackt da. In die Ecke duckte sich ein Tisch voller arm- und kopfloser Heiliger.

Als Victor das Pfarrhaus erreichte, stieg Vater Abe bereits die Holztreppe zu seinem Zimmer hinauf. Victor hielt sich am Geländer fest, als er die Stufen erklomm, die unter seiner Last knarrten. Es klang wie ein leises Stöhnen, beinahe blasphemisch. Er blieb stehen aus Furcht, ein weiteres Geräusch zu machen. Er warf einen Blick auf Vater Abe, der ihn bereits am oberen Treppenabsatz erwartete. Victor machte kehrt, zog sich langsam zurück und ging zurück zur Kirche. Er spürte die Augen des Priesters in seinem Rücken, und er meinte auch zu hören, wie Vater Abe ihn beim Namen rief. Er ging weiter, an der Sakristei und am Altar mit der Jungfrau vorbei, durch das Kirchenschiff mit seinen Reihen und Reihen hölzerner Bänke, und schließlich aus der Kirche hinaus.

Draußen auf dem Bürgersteig traf er auf Greg, dessen Fahrrad an einer Säule lehnte. Greg stand sofort auf, als er Victor sah. Er musste zuvor in der Kirche gewesen sein, denn er trug Victors Rucksack bei sich.

„Wo warst du denn?“, fragte Greg.

Victor riss ihm den Rucksack aus der Hand und fing an zu laufen. Greg schnappte sich sein Fahrrad und lief ihm hinterher. Victor rannte so schnell er konnte. Die kalte Nachmittagsluft ließ ihn erschaudern.

Auszug aus dem Kapitel „Der Fels“ aus „Der Junge aus Ilocos“