Sauna

Sauna

Von Mads Ananda Lodahl

Aus dem Dänischen übersetzt von Andreas Donat

Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 248 Seiten

Veröffentlichung: September 2025

Zum Buch im Salzgeber.Shop

Sauna

Johan will sich als Tresenkraft in Kopenhagens schwulem Saunaclub „Adonis“ zu einem Leben abseits gängiger Sexualitäts- und Beziehungsnormen inspirieren lassen. Bei einer Nachtschicht verliebt er sich in William. Der ist nicht nur bildschön, sondern verkörpert auch das revolutionäre Potenzial, nach dem Johan sucht. Denn William ist trans. Als er deswegen im „Adonis“ Hausverbot bekommt, wandelt sich der Club für Johan vom Inspirationsquell zum Feindbild. Er nutzt seine Anstellung, um die Sauna zu sabotieren, und die Beziehung zu William wird immer mehr zum Krimi – Blaulicht, Verfolgungsjagden und heulende Alarmanlagen inklusive. Aber wird Johan dem Geliebten mit seinem blinden Eifer gerecht?

Mads Ananda Lodahls Debütroman „Sauna“ diente als Vorlage für Mathias Broes gleichnamige Verfilmung. Eine packende Liebesgeschichte über Sex, Gemeinschaft und Einsamkeit, die die großen queeren Fragen der Gegenwart verhandelt – rasant, mitreißend und sexy.

BIOGRAFIE

Mads Ananda Lodahl, Jahrgang 1980, ist Autor, Dozent und Körpertherapeut. Nach einer Ausbildung zum Lehrer veröffentlichte er in Dänemark Gedichte, Kurzgeschichten und Essays. Teile seines Romandebüts „Sauna“ sind von seinen eigenen Erfahrungen als Aushilfe in den Männersexclubs von Kopenhagen und Berlin inspiriert.

LESEPROBE
Auszug aus „Sauna“ von Mads Ananda Lodahl

Bisher kannte ich Saunas nur aus dem Schwimmbad, aber das hier war etwas anderes. Sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich im spärlichen Licht der roten Lampe über dem Ofen die steifen Schwänze der anderen Männer erkennen. Was ich außerdem gerade noch wahrnehmen konnte, war die Tatsache, dass alle mich anstarrten. Jeden einzelnen von ihnen hatte ich während meiner Schicht hereingelassen, und es war seltsam, dass sie jetzt dasaßen und mich sahen, während ich nackt war.

Niemand sagte etwas, aber ich hörte ihr lüsternes Atmen und das Rascheln der Frotteehandtücher auf den Holzbänken. Das Knarren der Planken unter den schweren Körpern. Eine Hand, die einen Schwanz rieb, und von draußen den Fernseher, im Ruheraum. Ich war überhaupt nicht in Stimmung, spürte aber trotzdem, wie mein Schwanz unter dem Handtuch hart wurde. Als Nächstes spürte ich einen Handrücken mein Schienbein streifen, worauf ich aufstand wie ein Klappmesser und mit steifem Schwanz unter die kalte Dusche ging.

Emil lachte, als ich zurück an die Bar kam.

„War’s gut?“, fragte er.

„Nichts für mich.“

Delfin-Michael saß wie immer an seinem Platz und beobachtete alles, ohne ein Wort zu sagen. Ich bestellte ein Mineralwasser. Auch der Älteste trank nach jedem Saunagang ein Wasser, und jetzt verstand ich, warum. Ich spürte die kalte, prickelnde Flüssigkeit meinen Hals hinunterlaufen, ehe sie sich im Magen ausbreitete und mich von innen kühlte.
Tribal-Kim kam aus dem Keller. Er klopfte Delfin-Michael kumpelhaft auf die Schulter und war kein bisschen diskret, als er meinen Körper von oben bis unten musterte.

„Verdammt, bist du dünn!“

Emil schrie vor Lachen. Kim schlug mit der flachen Hand auf den Tresen.

„Cowboytoast! Zwei Stück!“

Während Emil in der Küche war, beugte sich Tribal-Kim zu mir und flüsterte: „Da unten liegt einer in einer Kabine, und ich dachte ohne Scheiß, es wär ein Wal, so fett war der. Er lag mit dem Arsch nach oben, sodass man ihn vom Flur aus sehen konnte. Da hieß es nur noch: bitte sehr, zugreifen!“

„Und? Bist du reingegangen?“, fragte ich.

In dem Moment kam Emil mit zwei dampfenden Cowboytoasts auf einem Pappteller zurück, und meine Frage blieb unbeantwortet in der Luft hängen. Kim aß seine Toasts. Wir sahen fern. Dann ging er nach Hause, und nur Emil, Michael und ich blieben an der Bar zurück.

„Ich hab gehört, du bist neulich zu spät zur Arbeit gekommen“, sagte Emil.

„Woher hast du das?“

„Von Rolf. Er hat gesagt, er will dich feuern.“

„Was?! Hat er das wirklich gesagt?“

Emil lachte: „Ja, das hat er. Aber keine Sorge. Sowas sagt der ständig. Da darf man nicht zu viel drauf geben.“

Emil sah hinüber zu Michael: „Stimmt’s etwa nicht, dass er ein bisschen spinnt?“

Michael antwortete nicht.

„Michael weiß alles, was hier drin passiert.“

„Aber das ist doch total daneben, dass er sowas sagt.“

„Ja, er ist nicht der beste Chef der Welt, aber man muss einfach lernen, auf Durchzug zu schalten.“ Emil zeigte auf sein rechtes Ohr. „Hier rein.“ Dann zeigte er auf sein linkes Ohr. „Und da raus.“ Ich nickte.

„Vor ein paar Jahren hat hier ein Typ gearbeitet, der hieß Viktor, und okay, er war wirklich nicht der Hellste, aber er war ganz nett …“

Die Klingel am Einlass läutete, und Emil ging raus, um zu öffnen.

„Worüber hatten wir gerade gesprochen?“, fragte er, als er zurückkam.

„Über Viktor.“

„Ach ja.“ Emil grinste. „Er hat die ganzen Systeme nicht geschnallt, die Rolf hier haben will. Damals war’s aber auch echt krass. Wenn jemand Sahne in den Kaffee wollte, mussten wir das mit einem kleinen Glas abmessen, wie bei Cocktails. Dann sollte Viktor einmal den Einlassbereich putzen. Viktor steht also da und wischt Staub, und dann stößt er aus Versehen eine von den großen Zimmerpflanzen um und die zerbricht, und alles ist voller Erde. Und Rolf steht zufällig hier an der Bar und rastet komplett aus, rennt mit dieser riesigen gelben Lampe los und …“

Emil zog die Lampe unter der Bar hervor und hielt sie hoch. Sie war so groß wie sein Kopf.

„Die hier hat er nach Viktor geworfen und ihn am Arm getroffen. Hier war es knallvoll, alle Gäste haben es gesehen und waren völlig geschockt, aber keiner hat sich getraut, was zu sagen, und Rolf hat wie verrückt rumgebrüllt.“

„Das klingt ja komplett irre.“

„Total! Der Typ kann richtig ausflippen!“

Wir lachten. Michael stand langsam auf und ging in die Sauna. Sein dünnes, weißes Haar lag wie Schnee um seinen Kopf. Wie leicht es aussah. Ich stellte mir vor, wie es wäre, es zu berühren. Vielleicht würde man nichts spüren. Es würde sich anfühlen wie Dampf. Ein Mann kam aus dem Keller, bei dem es sich um Kims Wal handeln musste. Sein Kopf pendelte von einer Seite zur anderen, während er die Treppe heraufgewatschelt kam. Lange stand er schnaufend am Tresen, beide Hände auf die Bartheke gestützt, dann bestellte er eine zuckerfreie Cola, die er in zwei Zügen austrank, ehe er sich noch eine bestellte.

„Darf man die Getränke mit nach unten nehmen?“, fragte er.

„Ja, gar kein Problem“, antwortete Emil.

Er war wie ein gewaltiger Berg, an dessen Fuß Emil mit einem kleinen Kiosk stand und Limonade verkaufte. Und ich stand mit meinem Mineralwasser daneben. Als er sich umdrehte, sahen Emil und ich ein benutztes Kondom an seinem Rücken kleben. Er musste sich im Keller draufgelegt haben. Emil prustete los.

„Entschuldigung, da klebt was auf deinem Rücken“, sagte er und zeigte auf das Kondom. Der Mann versuchte, seinen Arm nach hinten zu drehen, aber er kam nicht ran, also nahm ich eine Serviette, zog damit das Kondom herunter und warf es in den Mülleimer. Ich versuchte, es so aussehen zu lassen, als hätte ich nur die Serviette entfernt. Im Fernsehen fing eine von diesen Polizeisendungen an. Der Älteste kam aus dem Keller und ging geradewegs zum Stepper. Auf einmal stand Thomas vor mir. Ich konnte ihn nicht ausstehen, und ich war dabei, das voll und ganz zu akzeptieren. Ihn und seinen teuren Schlüsselanhänger und seine frisch renovierte Eigentumswohnung. Emil und ich sahen fern, während er vor sich hin brabbelte.

Dann kam Kevin aus dem Keller hoch. Er sah fantastisch aus, wie er so aus Dunkelheit und Dunst emporstieg, eine dünne Goldkette auf der schwarzen Brust. Um seine muskulösen Beine und die kleinen, runden Pobacken war ein kleines Handtuch gewickelt. Schlank und glatt sah er aus, wie eine junge schwarze Birke im Sonnenschein. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Sogar Thomas wurde still.

„Darf ich eine Cola haben?“, fragte Kevin mit einem breiten und fülligen Akzent. Er gab sich Mühe und sprach jedes Wort einzeln aus. Emil reichte ihm eine Cola, und Kevin setzte sich an den freien Computer. Kevin kam jeden Vormittag zum Putzen ins Adonis. Manchmal war er auch als Gast hier, aber er mischte sich nie unter die anderen. Er wirkte schüchtern. Thomas beugte sich über den Bartresen.

„Kannst du ihm nicht sagen, er soll duschen gehen? Der ist ja total dreckig.“

„Halt die Klappe“, sagten Emil und ich gleichzeitig. Es klang ziemlich aggressiv, weil wir es im Chor sagten, und das fühlte sich gut und richtig an.

„War doch nur ein Scherz“, murmelte Thomas.

Ich musste an Rolf denken, der vor allen Gästen die Lampe nach Viktor geworfen hatte. Er war ein Schwein. Er hatte William Hausverbot gegeben und ihn ein Mädchen genannt. Und dann wohnte er angeblich auch noch in einer riesigen Wohnung in Christianshavn, obwohl er nie länger als ein paar Stunden am Tag hier war. Ich konnte mir kaum meine schäbige Einzimmerwohnung in Nordvest leisten, obwohl ich dreißig Stunden pro Woche hier arbeitete.

Ich fing an zu rechnen. Der Eintritt kostete hundert Kronen, und ein Handtuch war im Preis inbegriffen. Ein zusätzliches Handtuch kostete zehn Kronen. Eine Limo zwanzig. Eine Tasse Kaffee nur fünf Kronen, aber dafür schmeckte er auch scheußlich. Für jede Kleinigkeit gab es im Kassenapparat eine eigene Taste, aber wenn ich stattdessen ein Handtuch eintippte – anstelle des Eintritts – und darauf achtete, wie viel ich an der Kasse einbuchte und wie viel Bargeld ich entgegennahm, würde bei der Abrechnung zu viel Geld in der Kasse sein, und dieses Geld konnte ich behalten. Der Gast gab mir hundert Kronen, ich tippte ein Handtuch für zehn ein und behielt die restlichen neunzig.

Wir hatten zwar diese Videoüberwachung, aber zum Abrechnen gingen wir immer ins Hinterzimmer, und dort gab es keine Kamera. Natürlich war es möglich, dass Rolf sich die Aufnahmen wirklich ansah und nachzählte, wie viele Gäste gekommen und wie viele Eintritte in der Kasse registriert worden waren, aber daran glaubte ich nicht. Dann hätte er ja für nichts anderes mehr Zeit gehabt.

Ich versuchte, einen wasserdichten Plan zu schmieden. Wenn man es so machte, würden zu viele Limos und Handtücher auf der Kasse erscheinen – aber immerhin gab es auch Schwund an der Bar, außerdem konnte ich meine eigene Wäsche von zu Hause mitbringen und während der Arbeit waschen, dann würden die Abhaklisten wieder stimmen.

Ich saß an der Bar und beschloss, so viel im Adonis zu klauen wie nur möglich. Ich würde das Geld sparen, und wenn genug beisammen war, würde ich es William geben. 27.000 Kronen in Münzen und kleinen Scheinen. Die Polizeisendung war zu Ende und mein Wasser war alle. Ich stand auf und band mein Handtuch fester um den Bauch, und Emil schaute mich mit einem schiefen Grinsen an.

„Gehst du in den Keller, du Schwein?“

„Nein, danke.“

„Pussy.“

Wir grinsten einander an.

Ich ging zurück in die Sauna. Diesmal war ich allein und spielte in Gedanken noch einmal meine Diebstahlpläne durch. Plötzlich musste ich pinkeln, und ohne groß nachzudenken, stellte ich mich auf die Bank und pinkelte auf den Ofen. Von den heißen Steinen stieg eine Dampfwolke auf, und der Gestank war überraschend heftig. Ich eilte unter die Dusche, um mich abzuspülen, und während ich mich anzog, spürte ich, wie froh ich war, auf den Ofen gepinkelt zu haben.

Kurz darauf stand ich auf der Købmagergade und blickte hinauf zum Storchenbrunnen und auf Schloss Christiansborg. Die Lichter auf die Fassade von Illums Bollighus glitzerten. Ich hatte eine Nachricht von William bekommen. Er wolle ein paar Tage im Wohnheim bleiben. Er müsse darüber nachdenken, wie er das ganze Geld auftreiben solle, und er brauche etwas Zeit für sich allein. Ich fragte mich, ob er wohl mit jemand anderem zusammen war. Vielleicht lag er gerade mit diesem Teis im Bett. Das wäre okay gewesen – aber falls es so war, wollte ich es wissen.

Anders hatte mir geschrieben. Wir waren zusammen auf dem Lehrerseminar gewesen, und ich hatte mich öfter mit ihm unterhalten, weil er in meinem Kurs derjenige war, der mich am wenigsten langweilte.

„Kommst du ins Imperiet?“, schrieb er.

Das war eine Bar, in die wir früher oft gegangen waren. Auch ein paar andere aus dem Kurs seien da, schrieb er. Ich hatte eigentlich keine Lust, nach Hause zu gehen – aber ins Imperiet wollte ich noch weniger.

„Können wir nicht woanders hingehen? Ich hab echt keinen Bock aufs Imperiet“, schrieb ich zurück.

„Komm schon! Das wird wie früher.“

„Eben“, antwortete ich.

Ich schaute hinauf zu den Lichtern von Illums Bolighus. Sie waren wirklich schön. Dann kam noch eine Nachricht.

„Was hast du denn auf einmal gegen das Imperiet?“

Ich antwortete nicht. Vielleicht war ich zu brutal zu Anders. Aber ich hatte genug davon, im Imperiet auf einem Sofa zu sitzen, umgeben von Heteros, die sich zum Sound alter Rocksongs gegenseitig aufzureißen versuchten. Ich hatte es so satt, in ihrer Welt ein Gast zu sein.