ein Film von Stéphane Riethauser
Schweiz 2019, 94 Minuten, deutsch-französische Fassung, teilweise mit deutschen Untertiteln & französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
FSK 12
Kinostart: 12. Dezember 2019
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Caroline ist eine Dame, die ihrer Zeit stets voraus war. Die 1920er Jahre sahen für Frauen eigentlich Heim und Herd als Lebensaufgaben vor. Caroline aber befreit sich aus der Ehe, die ihre Eltern für sie arrangiert haben, und wird eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Und auch im weiteren Leben setzt sie sich immer wieder über Grenzen hinweg, die die patriarchale Gesellschaft für sie vorgesehen hat. Über 50 Jahre später führt ihr Enkelsohn Stéphane einen ähnlichen Kampf: Als schwuler Junge in einer großbürgerlichen Schweizer Familie versucht er, der Rolle des angepassten, maskulinen Heteros zu entkommen, die alle von ihm zu erwarten scheinen. Alle bis auf seine flamboyante, 90-jährige Oma Caroline.
Stéphane Riethauser begann schon als 13-Jähriger, sich und seine Umgebung mit einer Video-Kamera aufzunehmen. Aus seinem umfangreichen biografischen Bildarchiv hat er ein berührendes Doppelporträt gewonnen: über seine ungewöhnliche Großmutter Caroline und sich selbst, den schwulen Jungen, der wie seine Oma ansetzt, die konservativen Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse und Sexualität kühn zu überschreiten. Nach seinem Kurzfilm-Hit „Prora“ (125 Festivals, 15 Preise, knapp 5 Millionen Zuschauer*innen auf YouTube!) hat Riethauser mit seinem ersten langen Film „Madame“ eine zutiefst persönliche und einzigartige nicht-heteronormative Familiensaga gedreht.
„Man wird nicht als Frau geboren, sondern man wird es.“ Es hat lange gedauert, bis ich dieses Zitat von Simone de Beauvoir verstanden habe und den Kampf erkennen konnte, den meine Großmutter kämpfen musste, um zu existieren. Es hat lange gedauert, bis ich erkannt habe, dass das Gleiche für die Männer gilt: Ich bin nicht als Mann geboren, ich wurde einer. Nach den Regeln unserer Gesetze und Bräuche wurde ich – wie die überwiegende Mehrheit der Jungen – heterosexuell formatiert, integrierte die homophobe Rhetorik und das obligatorische Machoverhalten, um meine Rolle als Vertreter des „starken Geschlechts“ spielen zu können. Bis ich erkannte, dass ich homosexuell bin und endlich damit leben konnte. Plötzlich verlor ich die Attribute meiner sogenannten „Männlichkeit“ und fiel in die Kategorie des schwachen Geschlechts und damit in die Kategorie der Schwuchteln. Und ich musste das Wertesystem hinterfragen, das uns, Jungen und Mädchen, prägt.
Welche kulturellen Komponenten, welche sozialen Verpflichtungen sind über die biologischen Unterschiede hinaus unserem Geschlecht zugeordnet? Welches Pflichtverhalten, welche Codes regeln unser Auftreten und unsere Manieren? Welche Idee steckt hinter der Geschlechtertrennung? Wie beeinflusst diese Segregation unsere Beziehung zum anderen Geschlecht? Und welche Konsequenzen hat es, wenn wir uns nicht an die Regeln halten?
„Madame“ ist ein tragikomisches Porträt einer exzentrischen Frau und ihres schwulen Enkels und stellt unsere Vorstellungen von Frauen, Patriarchat, geschlechtsspezifischer Identitätskonstruktion und -übertragung in Frage.
Stéphane Riethauser, geboren 1972 in Genf, studierte zunächst Jura in seiner Heimatstadt und machte darin 1995 seinen Abschluss. Im Laufe der Jahre arbeitete er als Lehrer, Schwulenaktivist, Fotograf, Journalist, Übersetzer und Regieassistent. Er ist Autor des Buchs „A visage découvert“ (2000), ein Fotoband über das Coming-out. Zwischen 2003 und 2008 arbeitete er als Redakteur und Regisseur für Radio Télévision Suisse (RTS). 2007 gründete er seine eigene Produktionsfirma Lamda Prod. und begann als unabhängiger Filmemacher zu arbeiten. Riethauser lebt in Berlin.
Filmografie (Auswahl):2005
Ein Wald der Skulpturen: Simon Spierer (Dok.)
2007
Die verlangsamte Zeit – Auf den Spuren von Marius Borgeaud (Dok.)
2012
Prora (KF)
Buch & Regie
Stéphane Riethauser
1. Regieassistenz
Marie-Catherine Theiler
2. Regieassistenz
Adrienne Bovet
Bild und Ton
Stéphane Riethauser
Weiteres Bildmaterial
Luc Riethauser, Heike Riethauser, Olivier Riethauser, Marcus Winterbauer, Sarah Blum, Allen Dizerens
Schnitt
Natali Barrey
Schnitt-Beraterinnen
Yves Beloniak, Sophie Watzlawick
Script-Berater
Anas Sareen
Komponist
David Perrenoud
Musik-Mischung
Benoît Mayer
Weitere Musik
Patrick Juvet, Jean-Michel Jarre, Vladimir Cosma, Richard Sanderson, Michelle Gurevich, Toy Dolls, Guiseppe Verdi, Charles Aznavour
Ton
Martin Stricker
Koproduktion
Schweizer Radio Fernsehen RTS / SRG
eine Produktion von Stéphane Riethauser / Lambda Prod
mit der Unterstützung von Succès Cinéma, Succès artistique SSR, Suissimage, Famille Sandoz Stiftung, Ernst Göhner Stiftung, Emilie Gourd Stiftung, Heinrich Hössli Stiftung, Stadt Carouge, Gemeinde Cologny, Gemeinde Anières, Le Conseil général de l‘Essonne et le FesCval du cinéma européen en Essonne, Dialogai
im Verleih von Salzgeber
gefördert durch Swiss Films