Ein Bildband voller erigierter Penisse? Geplant hatte ich das nicht, aber dann ergab es sich fast wie von selbst, und wie hätte ich da widerstehen können!

Bei meiner ersten Einzelausstellung im Frühjahr 2020 behielt sich die Galerie das Recht vor, über die Auswahl der Bilder zu entscheiden. Da es ausschließlich um Bilder aus meinem ersten Fotobuch „Uncensored“ ging, sagte ich mir: „Ist doch egal, sind alle fantastisch, lass sie mal!“, und willigte ein.

Nachdem die Galerie ihre Wahl getroffen hatte, merkte ich schnell, was fehlte: Keines der Bilder zeigte ein Model mit Erektion. Warum mir das wichtig war? Na ja, bei dem Projekt ging es ja um meine Erfahrungen hinter den Kulissen eines schwulen Pornostudios. Und da gehören Erektionen nun mal dazu. Nicht zuletzt, weil manche Models noch Stunden später mit einer Erektion herumlaufen – wegen der Erektionsspritzen, die etwa eine halbe Stunde vor Drehbeginn zur Verfügung gestellt werden, und dann oft nochmals mittendrin, zur Auffrischung.

Das Studio wollte nicht, dass ich die Models dabei fotografierte. Diesen Teil der Geschichte konnte ich also nur erzählen, indem ich Models zeigte, die ihre Szenen längst abgedreht, aber nach wie vor eine Dauererektion hatten. Mich hat das Groteske daran immer amüsiert: ein Model, die Unterhose wieder übergezogen, und oben guckt vorwitzig der Ständer heraus, aufreizend und albern zugleich. Eines meiner Lieblingsbilder entstand an einem Set in Spanien, in einer Villa zwischen sanft gewellten Hügeln, irgendwo weitab. Ich hatte gerade ein Shooting am Pool beendet, als mir in der Nähe zwei nackte Models auffielen: Sie standen nebeneinander am Zaun, der das Grundstück umgab, Arm in Arm, küssten sich – und durch den Zaun lugten ihre steifen Penisse.

Abgesehen von einem leisen Kitzel, fängt dieses Bild die unerwartete Schönheit der unverkrampften Nähe zwischen den Models ein – und den Mond, der gerade aufgegangen war. Ja, ich finde nicht einmal, dass es besonders erotisch ist. Und wenn man dem gängigen Verständnis folgt, wonach Pornografie vor allem dazu dient, sexuelle Erregung zu erzeugen, glaube ich nicht, dass das Bild dem entspricht. Ich setzte mich sehr für die Aufnahme dieses Bildes in die Ausstellung ein – aber leider ohne Erfolg. Obwohl ich enttäuscht war, es nicht zeigen zu können, wirkte diese Erfahrung doch wie ein Katalysator: Ich entschied, eine digitale Sammlung meiner Lieblingserektionen anzulegen, und veröffentlichte sie schließlich auf meiner Webseite, unter dem Titel „The Fine Art of Erections“. Eine Woche später bat mich der Verleger von „Uncensored“ um ein Zoom-Meeting, er wolle sich mit mir über diese jüngste Erweiterung meines Portfolios unterhalten; wieder eine Woche später hatte ich einen Buchvertrag.

Beim Sichten alter und neuer Bilder für das Buch wurde mir allmählich klar, dass meine Auswahlkriterien völlig unzulänglich waren. Ich wusste allenfalls, was ich nicht wollte: keine Bilder von Erektionen, zu denen es beim Sex oder infolge der Bemühungen von Models gekommen war, sich selbst zum Orgasmus zu bringen. Aber was wollte ich eigentlich? Hilfestellung erhielt ich von ganz unerwarteter Seite, durch Philip Gefters großartige Richard-Avedon-Biografie „What Becomes a Legend Most“. Gefter zitiert an einer Stelle Avedons Kommentar zu einer seiner Fotografien des nackten Rudolf Nurejew, aufgenommen in Paris, kurz nachdem sich der Balletttänzer von Russland losgesagt hatte: „… und während ich ihn weiter fotografierte, hob er langsam die Arme, und mit den Armen hob sich auch sein Penis. Es war, als würde er mit jeder Faser seiner selbst tanzen. Für mich einer dieser seltenen Momente, die nicht in Worte zu fassen sind – zu schön, um wahr zu sein.“

Wenn einer der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts eine spontane Erektion für die Manifestation überirdischer Schönheit halten durfte, hatte ich mein Organisationsprinzip gefunden. Avedon war überwältigt von Nurejews Erektion, und auch Nurejew selbst mochte wenigstens überrascht gewesen sein. Ihr unverhofftes Auftreten – ein Naturphänomen, fernab sexueller Aktivitäten – verwandelte sie in etwas Reines und Schönes, in Kunst.

Dementsprechend zeigen die meisten Bilder in diesem Buch Erektionen, zu denen es einfach so kam, ungewollt und ungeplant. Normalerweise kommen und gehen solche Erektionen, ohne dass ich oder das Model sie kommentieren: vielleicht nur ein einziges Mal im Verlauf eines Shootings, vielleicht mehrmals, und einmal hielt es eines meiner Models für geboten, mich darüber aufzuklären, dass er seit der Pubertät immer eine Erektion bekam, sobald er in Gegenwart anderer nackt war – ein ständiger Quell von Scham bei Arztbesuchen und in der Gemeinschaftsdusche.

Heute sind phallische Darstellungen in der Kunst weitgehend tabu, und das gilt insbesondere für Fotografien: in den meisten sozialen Medien werden sie zensiert; mein erster Agent kündigte mir, als ich ihm mitteilte, dass ich von nun an auch Erektionen zeigen wolle; Künstlerkollegen brachen den Kontakt zu mir ab; Freunde und Verwandte äußerten sich so missbilligend, dass ich mich an den Pranger gestellt fühlte. Wenn Künstler dazu genötigt werden, Erektionen aus ihren Werken zu verbannen – und die meisten Künstler halten sich daran –, wird die breite Öffentlichkeit sie nur noch im Kontext von Pornografie zu sehen bekommen; und das wiederum führt dazu, dass die Darstellung von Erektionen mit Pornografie gleichgesetzt wird.

Als es ans Layout dieses Buches ging, schien sein natürliches Sujet nach einer ebenso natürlichen Anordnung der Bilder zu verlangen. Da Erektionen zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten können, entschied ich mich für eine Gliederung, die in etwa dem Tagesverlauf vom Morgen bis zum Abend folgt. Obwohl es viele physiologische Gründe für Erektionen gibt, kann man oft nicht mit Sicherheit sagen, warum genau sie auftreten. Manchmal frage ich mich, ob das „Klick, klick, klick“ meiner Kamera mitverantwortlich ist.

Kenneth Gruenholtz

I had not planned on assembling a collection of erect penises for publication. But it happened so organically that it was impossible to resist.

When I was negotiating the terms for my first solo exhibit in the spring of 2020, the gallery agreed to do the show with the condition that it could determine which images would be displayed. The images would be selected from my first published monograph, “Uncensored”. At the time, I thought: “Well, I love all the images in the book, so what could be a problem?” So I agreed.

But when I saw the selected images, I discovered that something was missing. None of the images included a model with an erection. Why did this matter? Well, in telling the story of my experience behind-the-scenes with a gay adult film company, part of that story certainly includes the depiction of erections. Particularly since erections could last for several hours after sex as a result of a penile injection. Such injections are typically provided about a half hour before filming commences, and sometimes a booster shot is given during filming.

While I was not permitted to photograph those injections, I thought I could tell that part of the story by showing images of models with erections well after their scenes had wrapped. It always amused me because it was so bizarre. Sometimes, a model would put on underwear and his erection would be poking out. It was both provocative and hilarious. One of my favorite images happened when I was on location in Spain at a secluded villa surrounded by rolling hills. As I was wrapping up a shoot by the pool, I noticed two nude models near a fence that surrounded the property. One had his arm around the other and they were kissing. Both had erections that they placed through the fence.

Setting the titillation factor aside, the image captures the unexpected beauty of the models’ easy camaraderie and the rising moon that had just appeared. I don’t think the image is especially erotic. And if we adhere to the reigning definition of pornography—where the primary purpose is to cause arousal—I don’t think it qualifies. I lobbied hard for the shot’s inclusion in the exhibit, but to no avail. Although disappointed by not being able to show this particular picture, the experience served as the catalyst for my creation of a Digital Collection of my favorite images that included erections. I called it “The Fine Art of Erections” and put it on my website. About a week later, I got a note from the publisher of “Uncensored” requesting a Zoom meeting to discuss this recent addition to my catalog. I got a book deal a week later.

While I was editing old and new images for this book, I knew that I needed to be scrupulous about the criteria used for the selection process. For the most part, I did not want any images of erections that occurred in the context of sex with another model or when the model was endeavoring to achieve an orgasm on his own. Although I knew what I wanted to exclude, I was less sure about what to include. Help came from an unexpected source—Philip Gefter’s terrific biography of Richard Avedon, “What Becomes A Legend Most.” Gefter quotes Avedon’s reaction to photographing a nude Rudolf Nureyev in Paris shortly after the ballet dancer’s defection from Russia: “… as I went on photographing, he slowly raised his arms, and as his arms went up, so did his penis. It was as if he was dancing with every part of himself. I thought this was the most beyond-words moment—too beautiful to be believed.”

When one of the greatest photographers of the 20th century described a spontaneous erection as an event of extraordinary beauty, I found my organizing principle. Nureyev’s erection surprised Avedon and it may well have surprised Nureyev. The fact that it did not happen in the context of sexual activity gives its unplanned occurrence, a phenomenon of nature, a purity that is both artful and beautiful.

Accordingly, most of the images in this book include erections where the erections happened naturally and unexpectedly. Typically, the erection simply came and went without comment from me or the model. Sometimes, it happened only once during a shoot; other times it happened frequently. In one instance the model felt obliged to explain that since puberty, he automatically got erections when nude in the presence of others—a great source of embarrassment during physical examinations or when taking public showers.

Modern cultural mores frown on phallic representation in art, especially in photography. Such images are, in fact, banned from most social media. My first agent dropped me when I decided to include erections in my artwork and some artists stopped communicating with me. Some friends and relatives expressed disapproval. I felt like I was being shamed. So it occurred to me that if artists were being encouraged to stay away from erections in their artwork, and most artists have in fact done so, the result is that most people will see such images only in a pornographic context. As a result, the depiction of erections has largely become associated with pornography by default.

When it came time to lay out the images for this book, I concluded that the “natural” element of the images warranted their arrangement in a temporal sequence. Since erections can occur at any time of day, I decided to have the images loosely arranged from morning to bedtime. Though there are many physiological reasons why erections occur, it is difficult to know for sure why most of them happened. But, I sometimes wonder if the “click, click, click” of my camera was partly responsible.

Kenneth Gruenholtz

KENNETH GRUENHOLTZ lebt und arbeitet als Fotograf in New York City. Er studierte digitale Fotografie an der School of Visual Arts. Seine Arbeiten wurden in New York, London, Berlin, Paris und Barcelona ausgestellt. Im Jahr 2020 erschien sein erstes Fotobuch „Uncensored“, das international auf große Resonanz stieß.

Kenneth Gruenholtz is an artist living and working in New York City. His first solo exhibit was at the ClampArt Gallery in Spring 2021. The first and second editions of his monograph, “Uncensored,” sold out and a third edition has just been released. He holds a Master’s degree in digital photography from the School of Visual Arts in NYC.