ein Film von Martin Witz
Schweiz/Deutschland 2024, 90 Minuten, deutsche Originalfassung
Komponist Michael Jary und Texter Bruno Balz waren über 40 Jahre lang das produktivste und erfolgreichste Duo des deutschsprachigen Schlagers und Kinos. Ihre Lieder wie „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ oder „Davon geht die Welt nicht unter“ (beide 1942) machten Zarah Leander musikalisch zum Weltstar. Die 250 Kinofilme, zu denen sie die Musik beisteuerten, reichen von eleganten Komödien der Weimarer Zeit über ambivalente Melodramen im Dritten Reich bis zu Filmen in den Wirtschaftswunderjahren. „Im Schatten der Träume“ erzählt das bewegte Leben der beiden Künstlerfreunde – zwei Biographien, die selbst das Drehbuch für ein Melodram liefern könnten. Balz war als schwuler Mann ein Verfolgter des NS-Regimes und entging dem Konzentrationslager nur durch die Intervention von Jary, der angab, ohne seinen Texter die vom Propagandaministerium geforderten Lieder für den Film „Die große Liebe“ (1942) nicht liefern zu können.
Regisseur Martin Witz kombiniert Szenen aus bekannten Spielfilmen mit privaten Fotografien, seltenen Interviews und Erinnerungen von Zeitzeugen. Experten wie der Musikhistoriker und Unterhaltungskünstler Götz Alsmann erklären kenntnisreich und hintergründig die Entstehungsgeschichten der weltberühmten Lieder und Filme – und warum die Musik von Jary und Balz so verblüffend zeitlos ist. Eine Zeitreise durch vier Jahrzehnte Populärkultur, die mit Swing, frechen Berliner Chansons und Liebesliedern einen weiten musikalischen Bogen spannt, aber auch im politischen und gesellschaftlichen Kontext kritisch über „Unterhaltung“ und Ideologie nachdenkt.
Ich könnte nicht genau sagen, wie viele Jahre ich mir überlegt habe, einen Film über populäre Musik zu machen. Und wie oft ich das Vorhaben dann von mir weggeschoben habe: zu unübersichtlich dieses Feld, auf dem es von wunderbar ergreifenden Chansons bis hin zu grandiosem Kitsch ja nun wirklich alles gibt. Was aber blieb, ist die Faszination für gute, populäre Songs. Und manchmal, allein, mein lautes und glückliches Mitsingen am Radio.
Dann aber stieß ich auf die Geschichte von Bruno Balz und Michael Jary – zwei kreative Köpfe im Hintergrund von unzähligen Kinoklassikern und Evergreens, von Filmdiven wie Zarah Leander und vielen anderen Stars von damals. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Künstlerfreundschaft inmitten sich dramatisch verändernder politischer und gesellschaftlicher Bedingungen – zwischen Anpassung und Widerstand, und immer auch zwischen Kunst und Kommerz. Für diese grossen Fragen stehen das Leben und die Arbeit der beiden so ungleichen Männer exemplarisch.
Die Biografien und das Werk dieses kongenialen (und heute fast vergessenen) Gespanns erlauben es, ein Stück Zeitgeschichte zu erzählen, wie es meines Wissens noch nicht erzählt ist, nämlich aus der Perspektive des Kinos und der populären Musik: Ausgewählte Spielfilmausschnitte spiegeln den sich wandelnden Zeitgeist und verleihen mit ihrem fiktionalen Drive – dramaturgisch präzis eingebaut – der dokumentarischen Erzählung Schwung und zusätzliche Kraft.
„Im Schatten der Träume“ ist eine Zeitreise mit viel Musik und Swing, die einen Bogen über fünf Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts spannt. Ein Film, der über „Unterhaltung“ nachdenkt, über Glamour, Ideologie, über Politik und Poesie. Ein Film hoffentlich auch, der für die Zuschauerinnen und Zuschauer zu einem ausgiebigen Vergnügen wird: Liebeslieder, freche Berliner Chansons, Spielfilm-Szenen, melancholische Balladen… Eine Reise durch unsere Populärkultur.
Martin Witz (Regie & Buch), geboren 1956 in Zürich. Studium der Germanistik und der Europäischen Volksliteratur. Mitgründer des „Videoladen Zürich“. Seit 1988 als freier Filmschaffender in der Schweiz und in Deutschland tätig, zunächst als Autor und Dramaturg, dann auch als Regisseur, zumeist für Dokumentarfilme in den Bereichen Geschichte, Politik und Kunst. Mitglied der Schweizer Filmakademie.
Filmografie (Auswahl)
1987
„Wendel“ (als Co-Autor; Regie/Buch: Christoph Schaub)
1988
„Filou“ (als Co-Autor; Regie/Buch: Samir)
1992
„Am Ende der Nacht“ (als Co-Autor; Regie: Christoph Schaub)
1993
„Ludwig 1881“ (als Co-Autor; Regie: Fosco & Donatello Dubini)
1997
„Marthas Garten“ (als Co-Autor; Regie: Peter Liechti)
2007
„Dutti der Riese“ (Dok.)
2010
„Hugo Koblet – Pédaleur de charme“ (Dok.; als Autor; Regie: D. v. Aarburg)
2011
„The Substance – Albert Hofmann’s LSD“ (Dok.)
2013
„Die Gentlemen baten zur Kasse“ (TV; als Co-Autor; Regie: C.L. Rettinger)
2007
„Gateways to New York“ (Dok.)
2024
„Im Schatten der Träume“ (Dok.)
Regie & Buch
Martin Witz
Produzenten
Ivan Madeo, Carl-Ludwig Rettinger
Bildgestaltung
Till Vielrose
Montage
Stefan Kälin
Originalmusik
Sven Kaiser
Originalton
Alexander Heinze, Reto Stamm, Ralf Weber
Mischung
Alexander Weuffen
Animation & Grafik
Peter Volkart
Sounddesign
Jascha Viehl, Maurizius Staerkle-Drux
Redaktion
Urs Augstburger/Sven Wälti (SRF/SRG SSR), Kathrin Brinkmann (ZDF/ARTE)
Mit
Götz Alsmann, Manfred Herzer, Micaela Jary, Claudio Maniscalco, Rainer Rother, Klaudia Wick, Bibi Johns, Carol Schuler (Gesang)