ein Film von Fabian Stumm
Deutschland 2023, 104 Minuten, deutsch-französische Originalfassung, teilweise mit deutschen Untertiteln
Kinostart: 18. Januar 2024
FSK 12
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Boris und Jonathan sind seit acht Jahren ein Paar, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen. Schauspieler Boris vergräbt sich immer tiefer in die Proben zu einem neuen Film mit der ambitionierten Regisseurin Jeanne und vermischt dabei reale und fiktive Charaktere. Jonathan versucht seine Stimme als Schriftsteller neu zu definieren. Durch die Tage des Ringens um Distanz, Nähe, Vertrauen, Verlangen und Verlustangst geistert Jonathans kleine Nichte Josie, die auf eigenwillige Weise versucht, mit dem nahenden Ende ihrer Kindheit umzugehen.
Fabian Stumm porträtiert in seinem Langfilmdebüt eine Gruppe von Menschen, die nach ihrem Platz im Leben und ihren Positionen zueinander suchen. Eine sensible und humorvolle Reflexion über Beziehungen und Dissonanzen, die uns verbinden und voneinander entfernen. Ausgezeichnet mit dem Heiner-Carow-Preis der Perspektive Deutsches Kino.
Du arbeitest seit vielen Jahren als Schauspieler. Wie bist du zum Schreiben und der Regie gekommen?
Ich habe schon als Kind viel geschrieben. Kurzgeschichten, Theaterstücke oder Hörspiele, die ich dann selbst vertont habe. Später habe ich das Spielen für mich entdeckt. In den letzten Jahren wurde das Bedürfnis stärker, meine eigenen Geschichten zu erzählen. Sicher auch aus einem Hunger heraus, größeren Einfluss auf Stoffe und mehr künstlerische Kontrolle zu haben. Aber in erster Linie wohl, um den Dingen, die mich beschäftigen, eine Form zu geben. Der Weg zum Inszenieren kam dann ganz organisch. Ich bin mit dem Kino aufgewachsen, das hat schon immer den größten Raum in meinem Leben eingenommen. Auf der Schauspielschule in New York habe ich oft Kurse geschwänzt, weil ich eine Matinée erwischen wollte. Isabelle Huppert in Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“ zum Beispiel habe ich mir in einer Woche mehrmals angesehen. Ich habe immer noch das Gefühl, im Kino kann man mehr lernen als in den meisten Kursen. Bis heute schaue ich Filme, die etwas mit mir machen, immer wieder an, um zu verstehen, wie sie funktionieren.
Wie ist die Idee zu „Knochen und Namen“ entstanden?
Nach dem Ende meiner letzten Beziehung hatte ich das Gefühl, dass ein Teil von mir verschüttet lag. Joan Didion schreibt in einem ihrer Texte: „Remember what it was to be me. That is always the point.“ Damit kann ich viel anfangen. Ich wollte mich mit den Säulen auseinandersetzen, die mein Leben ausmachen. Mich erinnern, was daran gut und stabil ist, was mir Angst oder mich traurig macht und warum das so ist. Wirklich bewusst ist mir das aber erst im Nachheinein geworden, vor und während dem Dreh gab es nur diesen inneren Motor, der mich angetrieben hat. In gewissem Sinne hat der Film mich mit mir selbst ausgesöhnt und neu verbündet.
Der Film hat eine wunderbare Besetzung. Wie kam sie zustande?
Die meisten Rollen habe ich für die jeweiligen Schauspieler:innen entwickelt. Es ist toll, wenn man beim Schreiben bereits eine Stimme im Ohr hat, ihren Rhythmus kennt und die Dialoge dahin gehend komponieren kann. Gleichzeitig macht es großen Spaß, die Spieler:innen bewusst Dinge tun und sagen zu lassen, die man so gar nicht von ihnen gewohnt ist und sich überraschen lässt. Wichtig war auch die Zusammenarbeit mit der Casterin Eva Roth. Ich schätze ihren Blick und ihre Intuition, und gemeinsam haben wir die Figuren besetzt, bei denen ich bewusst offen für ihre Ideen sein wollte.
Erzähl uns etwas über dein Ensemble. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit deinem Co-Hauptdarsteller Knut Berger?
Knut war von der ersten Idee an mit an Bord. Weil es mir im Kern darum ging, eine Beziehungsgeschichte zwischen zwei Männern zu erzählen, war es essenziell, ein großes Vertrauen zueinander zu haben. Knut und ich sind seit vielen Jahren eng befreundet und er hat das Drehbuch und seine Figur sofort auf einer tiefen Ebene verstanden. Sein Enthusiasmus und seine Liebe für das Projekt haben mich sehr bestärkt und getragen. Ich bin sehr stolz auf seine Arbeit in dem Film.
Wie wurde Marie-Lou Sellem Teil des Projekts?
Marie-Lou und ich haben uns vor Jahren bei einem Dreh kennengelernt. Ich habe sie sofort in der Rolle der französischen Regisseurin Jeanne gesehen, die ihre eigene Geschichte verfilmt. Ich liebe Marie-Lous Humor, ihre Neugier, ihre Konzentration. Sie hat eine große Kraft im Spiel. Es war virtuos, wie sie zwischen den beiden Sprachen, ihrer Rolle und sich selbst changieren konnte. Sie hat mich auf vielen Ebenen beeindruckt.
Anneke Kim Sarnau hat nur eine Szene in dem Film aber sie hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Anneke ist eine sehr wichtige Schauspielerin für mich. Mittlerweile ist sie eine enge Freundin aber schon lange bevor wir uns kannten haben mich ihre Filme begleitet. Nie werde ich sie in „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ vergessen, wo sie Momente hat, die sich mir für immer eingebrannt haben. Ich wollte niemand anderes haben für diese Szene, die mir sehr am Herzen liegt, und als wir damit fertig waren, gab es kein trockenes Auge am Set.
Und die kleine Josie, gespielt von Alma Meyer-Prescott?
Alma ist die Tochter von Susie Meyer, die in der Rolle der Carla zu sehen ist. Ich kenne sie und ihren kleinen Bruder seit dem Moment, als sie zur Welt kamen, weil ich bei den Geburten dabei war. Alma ist also Familie für mich. Am Set wurde ich manchmal gefragt, mit welcher Figur ich mich am meisten identifiziere, und meine Antwort war immer: Josie. Bestimmt liegt das an den autobiografischen Elementen der Rolle – aber auch in der Art, wie Alma sie spielt, fühle ich mich an meine eigene Kindheit erinnert. Es hat mich sehr berührt, sie mit soviel Freude und Offenheit am Set zu erleben.
Susie Meyer, in deinem letzten Film „Daniel“ hochschwanger, spielt hier nicht die alleinstehende Mutter.
Das war ein bewusstes Spiel mit der Realität. Susie ist in Wirklichkeit alleinerziehend und das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Diese Abwesenheit der Männer, die Väter sind. Ich wollte Susie in der Rolle der Schauspielerin Carla sehen, die sich in der Arbeit auch deshalb entfalten kann, weil sie einen Partner hat, der sie zu Hause unterstützt. Am Set verstanden wir uns ohne große Worte. Meist reichte nur ein Blick und sie wusste, worum es mir geht. Ich finde sie einzigartig vor der Kamera.
Wie war es für dich, dein eigener Regisseur zu sein und dich selbst zu inszenieren?
Befreiend. Ich liebe die Arbeit mit anderen Filmemacher:innen und mag es sehr, mich in ihre Vision einzuordnen. Aber schon als ich in meinen Kurzfilmen selbst gespielt habe, ist mir aufgefallen, dass die Instanz, der ich gefallen möchte, wegfällt. Ich möchte eine Rolle ja so spielen, wie ich sie empfinde, aber gleichzeitig auch die Regie glücklich machen. Das kann dann manchmal ein Spagat sein. Als Boris war ich so fokussiert auf die Arbeit der anderen Schauspieler:innen, dass ich sehr instinktiv gespielt habe, ohne mir etwas vorzunehmen, und immer im Moment war. Das hat mir und meinem Spiel gut getan. Ich finde es unheimlich spannend, beim Spielen zu inszenieren, weil man seine Szenenpartner:innen auf sehr unaufdringliche aber direkte Art beeinflussen und leiten kann.
Gab es viele Proben im Voraus?
Nein. Ich habe mich mit den einzelnen Gruppen getroffen und intensiv über das Buch und die Figuren gesprochen. Ruth Reinecke und Ernst Stötzner zum Beispiel habe ich mit ihren Filmkindern Knut Berger und Doreen Fietz zusammengebracht. Sie haben stundenlang von ihren eigenen Erfahrungen mit den Themen des Films gesprochen. Am Ende haben sie die Szene einmal gelesen und alles war da. Beim Dreh war ich fassungslos, wie wahrhaftig sie ihre lange Interviewszene gespielt haben. Ihr erster Take war dann auch der, den wir im Film verwendet haben. Ich probe nicht so gerne am Set. Ich mag es, gleich zu drehen und vor laufender Kamera Momente zu finden, die man im Nachhinein so gar nicht nochmal herstellen könnte. Kleine Unfälle, Unsicherheiten, spontane Reaktionen – auch wenn wir uns sehr an das Buch und die Dialoge gehalten haben, gibt es davon einige im Film. Das macht es menschlicher.
Erzähl uns etwas über die Bildsprache des Films. Wie habt ihr sie erarbeitet?
Schon beim Schreiben wußte ich sehr genau, wie die Szenen aussehen sollten. Ich habe ein detailliertes Storyboard gezeichnet, das ich mit meinem Kameramann Michael Bennett vor dem Dreh in den verschiedenen Locations durchprobiert und abfotografiert habe. Über das fotografische Storyboard, das daraus entstanden ist, konnten wir uns beim Drehen dann wunderbar verständigen, weil wir uns in den Motiven nicht mehr auf die Suche begeben mussten. Durch seine Erfahrung als Fotograf hat er ein spannendes Gespür für Räume und Architektur, und wir teilen eine Leidenschaft für klare Linien und grafische Einstellungen. Das war also eine sehr harmonische Zusammenarbeit.
Ihr habt ohne Förderung gedreht. Wie war der Prozess dahinter?
Ich arbeite gerne mit Menschen, die ich kenne, finde es aber auch schön, ein Netzwerk aus neuen Leuten aufzubauen. Meine Koproduzentin Nicola Heim, die ich seit der Schauspielschule kenne, ist eine der Ersten, die meine Ideen zu lesen bekommt, und immer mit Elan dabei, wenn es um ein neues Projekt geht. Mein Editor Kaspar Panizza dagegen ist ein junger Filmemacher, dem ich erst für diesen Film begegnet bin. Schon bei unserem ersten Treffen wußte ich, dass er der Richtige für die Arbeit ist. Er hat nochmal etwas Besonderes in den Film miteingebracht. Nicola und ich haben uns früh entschieden, den Film ohne Förderung mit eigenem Geld umzusetzen. Der Drang, die Geschichte zu erzählen, war zu groß, um monatelang auf finanzielle Unterstützung zu warten, also haben wir alles selbst gemacht. Wir konnten ein tolles Team auf die Beine stellen, das sehr an den Film geglaubt und mit kleinen Gagen auf Rückstellung gearbeitet hat. Das ist natürlich nicht das Ideal und auf lange Sicht auch nicht tragbar. Trotzdem glaube ich, dass gute Stoffe nicht unbedingt riesige Budgets brauchen. Ich würde es schön und wichtig finden, wenn auch unabhängige, intimere Filmprojekte mehr Möglichkeiten in der Finanzierung bekämen.
Welche Künstler:innen beeinflussen dich in deiner Arbeit?
Da gibt es viele. Claude Sautet, Maurice Pialat, Chantal Akerman, Robert Altman, Claude Goretta, Olivier Assayas, Helmut Käutner oder André Téchiné sind nur ein paar der Filmemacher:innen, die mir viel bedeuten. In der Literatur sind es Annie Ernaux, Heinrich Böll oder Joan Didion. Die Bilder von Nicolas de Staël. Und Taylor Swift ist seit Jahren eine Referenz für mich. Als Geschichtenerzählerin finde ich sie ungeheuer talentiert. Mich rührt, dass sie in ihren Songs viel von sich preiszugeben scheint. Das ist es, worum es mir in jeder Arbeit geht: Anschluß an das Leben und die Menschen um mich herum, egal in welcher Form.
FABIAN STUMM (Regie, Buch, Produktion; Boris) ist Schauspieler, Autor und Regisseur. Er studierte am Lee Strasberg Theatre & Film Institute New York und war danach u.a. am HAU – Hebbel am Ufer, bei den Münchner Kammerspielen, der Volksbühne Berlin, in The Kitchen New York und der Tate Modern London zu sehen. Zu seinen Film- und TV-Arbeiten zählen „Lore“ von Cate Shortland, „Bela Kiss“ von Lucien Förstner, „Ivie wie Ivie“ von Sarah Blaßkiewitz und die Serien „Druck“ und „Oh Hell“.
2020 gab er mit dem Kurzfilm „Bruxelles“ sein Regiedebüt. 2021 folgte sein zweiter Film „Daniel“, der auf dem Achtung Berlin Festival 2022 als bester mittellanger Film ausgezeichnet wurde. Sein Spielfilmdebüt „Knochen und Namen“ feierte 2023 auf der Berlinale in der Perspektive Deutsches Kino Premiere und gewann den Heiner-Carow-Preis. 2024 wurde Marie-Lou Sellem für ihre Rolle in dem Film für den Deutschen Filmpreis als beste weibliche Nebenrolle nominiert.
Filmographie als Regisseur
2020
„Bruxelles“ (KF)
2021
„Daniel“ (MF)
2023
„Knochen und Namen“
2024
„Sad Jokes“
KNUT BERGER (Jonathan) studierte Schauspiel an der UdK Berlin. Am Theater gastierte er u.a. an der Schaubühne Berlin, dem Maxim Gorki Theater und dem Volkstheater Wien. Seine erste Kinohauptrolle spielte er in „Walk on Water“ von Eytan Fox. Weitere Film- und TV-Arbeiten waren „Wir“ von Martin Gypkens, „Jerichow“ von Christian Petzold, „Futur Drei“ von Faraz Shariat, „Deutschland 86“ von Arne Feldhusen, „Wir könnten genauso gut tot sein“ von Natalia Sinelnikova, „Das weiße Schweigen“ von Esther Gronenborn und „Oh Hell“ von Simon Ostermann und Lisa Miller.
MARIE LOU-SELLEM (Jeanne) studierte Schauspiel an der Folkwang Hochschule Essen. Ihre letzten Theaterengagements waren an der Volksbühne Berlin, dem Schauspiel Köln, dem Deutschen Theater und den Salzburger Festspielen. Außerdem war sie in einer Vielzahl Film- und TV-Produktionen zu sehen und wurde 2002 für den Deutschen Filmpreis als beste weibliche Nebenrolle nominiert. Zu ihren Filmarbeiten zählen „Winterschläfer“ von Tom Tykwer, „Marseille“ von Angela Schanelec, „Exit Marrakesch“ von Caroline Link, „Casting“ von Nicolas Wackerbarth, „Charlie`s Angels“ von Elizabeth Banks und „TÁR“ von Todd Field. Zuletzt stand sie für „Verbrannte Erde“ von Thomas Arslan vor der Kamera.
Regie & Buch
Fabian Stumm
Kamera
Michael Bennett
Kameraassistenz
Petra Rebernik
Schnitt
Kaspar Panizza
Ton
Adel Gamehdar
Sounddesign und -mix
Béla Brandes
Szenenbild
Nele Schallenberg
Kostüm
Anna Hellmann, Marie Siekmann
Maske
Melissa Döberl, Roksana Geiss, Debora Waltl
Casting
Eva Roth
Choreografie
Natalia Torales Elizalde
Grading
Bertrand Glosset
Grafik
otterhellmann
1. Regieassistenz
Nicola Heim
2. Regieassistenz
Kaspar Panizza
Setassistenz
Stefan Rutkowski
Produktionsassistenz
Laura Köppel
Koproduktion
Nele Schallenberg
Produktion
Fabian Stumm, Nicola Heim
Boris
Fabian Stumm
Jonathan
Knut Berger
Jeanne
Marie-Lou Sellem
Carla
Susie Meyer
Tim
Magnus Mariuson
Natascha
Doreen Fietz
Josie
Alma Meyer-Prescott
Heidi
Ruth Reinecke
Michael
Ernst Stötzner
Helen
Anneke Kim Sarnau
Becks
Godehard Giese
Naima
Haley Louise Jones
Lara
Milena Dreissig
Pauline
Ella Bennett
Lucy
Nicola Heim
Stella
Anne Haug
Marie
Luise Helm
Yasin
Tanju Bilir
Dahlmann
Rainer Sellien
Frau Strecker
Melika Foroutan
Eine Postofilm Produktion
im Verleih von Salzgeber