ein Film von Savaş Ceviz
Deutschland 2019, 99 Minuten, deutsche Originalfassung
FSK 16
Markus ist 29, Single und als Architekt beruflich angekommen. Niemand in seiner Familie und seinem Arbeitsumfeld weiß, dass er pädosexuell ist. Körper von kleinen Jungs erregen ihn. Er hasst sich dafür und kämpft jeden Tag gegen sein Verlangen an. Als die alleinerziehende Mutter Jessica mit ihrem achtjährigen Sohn Arthur in die Nachbarswohnung einzieht, verliebt sie sich in den hilfsbereiten Markus. Der kleine Arthur mag es, wenn Markus auf ihn aufpasst, und sieht in ihm eine Vaterfigur. Doch Markus ahnt, dass er sein Verlangen auf Dauer nicht unter Kontrolle haben wird. Er kämpft darum, den lauter werdenden Rufen in seinem Kopf zu widerstehen.
In seinem Spielfilmdebüt „Kopfplatzen“ widmet sich der Regisseur und Drehbuchautor Savaş Ceviz dem schwierigen Thema Pädosexualität und nimmt dabei bewusst die Perspektive eines potenziellen Täters ein, um dessen Innenleben zu ergründen und die Frage zu stellen, wie unsere Gesellschaft reflektiert mit der Problematik umgehen kann. Für sein aufwühlendes Drama konnte Ceviz den vielfach ausgezeichneten deutschen Schauspiel-Star Max Riemelt („Freier Fall“, „Sense8“) gewinnen, der die intensive Rolle des Markus eindrücklich verkörpert, ohne dessen mögliche Täterschaft zu verharmlosen. Bei den Biberacher Filmfestspielen 2019 erhielt „Kopfplatzen“ die Auszeichnung als bester Debütspielfilm.
Wie kamst Du zu dem Projekt und was hat Dich daran gereizt?
Über die langjährige Freundschaft mit Savaş habe ich schon früh von der Idee zu dem Projekt erfahren und kenne den langwierigen Entstehungsprozess. Damit habe ich mich über einen größeren Zeitraum immer wieder mit dem Thema und dem Skript in den verschiedenen Entwicklungsphasen auseinandergesetzt, bis ich letztendlich die Rolle übernommen habe. Das war keine schnelle oder einfache Entscheidung.
Es ging für mich bei dem Projekt darum, eine Person zu spielen, die durch ihre Veranlagung total isoliert ist und der es auch durch die gesellschaftliche Tabuisierung des Themas und die damit verbundene Ausgrenzung schwerfällt, sich zu öffnen, Hilfe zu suchen und zu erhalten. Die Schwierigkeit bestand dabei vor allem darin, die Figur so zu gestalten, dass sie nicht von vornherein unsympathisch wirkt, und dadurch eine Brücke zu bauen, die es dem Zuschauer erlaubt, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen, ohne direkt zu urteilen. Dabei ging es nicht um eine Solidarisierung mit Betroffenen, die eine solche Veranlagung haben, sondern um einen Einblick in eine bestimmte Realität, ohne vorgefertigte Antworten oder Lösungen vorzugeben.
Hattest Du Bedenken, eine pädosexuelle Figur zu spielen?
Manche Menschen ziehen keine Grenzen zwischen den Figuren und den Darstellern, die sie spielen. Dadurch besteht immer die Gefahr, mit der Person, die man verkörpert, undifferenziert verbunden zu werden. Die schauspielerische Herausforderung war, das Innenleben einer zwischen ihrer Neigung und ihrer moralischen Verantwortung zerrissenen Figur darzustellen. Fragen wie „Ist es besser, einen Mörder, einen Nazi oder einen Pädosexuellen zu spielen?“ stellen sich für mich als Schauspieler dabei nicht, da ich immer wertfrei in eine Figur eintauchen können muss. Die moralische Einordnung bzw. Bewertung muss sich für den Einzelnen aus dem Kontext der Geschichte ergeben und nicht aus meinem Spiel.
Was war Dir bei der Darstellung der Figur besonders wichtig?
Mir war es wichtig, der Verantwortung, die mit diesem Thema verbunden ist, gerecht zu werden, indem ich mich ernsthaft mit den daraus ergebenden Fragen auseinandergesetzt habe. Ich wollte den Zuschauern durch ein eher zurückgenommenes Spiel Raum für eigene Fragen und Gedanken lassen, um daraus eine individuelle Haltung zum Thema zu entwickeln.
Gab es am Set viele Gespräche zwischen Dir, Regisseur Savaş Ceviz und dem jungen Arthur-Darsteller Oskar Netzel?
Da ich mit Savaş schon im Vorfeld viele Gespräche geführt habe, ging es während der Dreharbeiten um eine konzentrierte Arbeit, um den Film in der vorgegebenen Zeit umsetzen zu können.
Oskar habe ich bereits im Casting kennengelernt. Dabei war schnell klar, dass er neben seiner schauspielerischen Begabung auch das Verständnis mitbrachte, um diese Rolle zu übernehmen. Seine Eltern haben ihn gut auf das Thema vorbereitet, begleitet und beschützt. Auch das war ein wichtiger Aspekt für mich: zu sehen, dass es hier nicht um die Verwirklichung eigener Träume der Eltern, sondern um die behutsame Unterstützung der Spielfreude von Oskar geht.
Nach Studium der BWL an der Uni Köln mit Abschluss als Dipl.-Kfm. arbeitete SAVAŞ CEVIZ (Regie & Buch) mehrere Jahre als Producer und Redakteur bei RTL, zwischendurch als Productmanager bei EMI Electrola. Anschließend war er als Director Development & Production bei Saban Entertainment in Köln verantwortlich für die TV-Movie-Co-Produktionen. Anfang 1998 wechselte er zu Studio Babelsberg, wo er bis 2001 zuletzt als Leiter Int. Co-Produktion tätig war. Danach war er bis 2002 Vice President Content für den Londoner Internet-TV-Sender IchooseTV in Berlin. Er absolvierte die New York Film Academy in New York (1996), den Frank Daniels Producers Workshop (1998) sowie das Robert-Mc-Kee-Story-Seminar (1999) in Berlin. Savaş Ceviz ist als Regisseur, Autor und Producer tätig.
Filmografie (Auswahl)1996
„Laundry Day“ (KF), Regie, Drehbuch, Schnitt, Produktion
1998
„Winkler & Dünnebier“ (Imagefilm), Regie, Buch, Konzept, Preise: Video u. TV New Media Award für hohen Standard, ITVA Festival – Silber für Regie
2002
„Alemanya“ (KF), Regie, Drehbuch, Produktion, Preise: F.-W. Murnau Preis, Prädikat Besonders Wertvoll, u.a.
2006
„Nordwand“, Idee zum Film, Drehbuchentwicklung, dramaturgische Beratung, Finanz- und Cast-Beratung
2006
„Schöne Aussichten“, Episode „Alemanya“, Regie, Buch, Produktion
2007
„Der blinde Maler“ (Dok.), Regie, Buch, Produktion
2007
„GG19 – Deutschland in 19 Artikeln“, Episode „Stehplatz“, Regie, Buch
2008
„Alles bleibt anders“, Drehbuch
2011
„Der mit den Fingern sieht“, Regie, Buch, Produktion, Co-Schnitt, Preise: Deutscher Hörfilmpreis, Publikumspreis
2019
„Kopfplatzen“, Regie, Drehbuch, Co-Schnitt, Co-Musik
MAX RIEMELT (Markus), geboren am 07. Januar 1984 in Ost-Berlin, arbeitet seit 1997 als Schauspieler. Seinen Durchbruch feierte er mit der Hauptrolle in der Serie „Zwei Allein“ (1998).
Die Coming-of-Age-Komödie „Mädchen, Mädchen“ (2001) markiert den Beginn der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Regisseur Dennis Gansel, dem die Spielfilme „Napola – Elite für den Führer“ (2004; Preis als „Bester Darsteller“, Karlovy Vary), „Die Welle“ (2008; Undine Award als „Bester Darsteller“), „Wir sind die Nacht“ (2010) und „Die vierte Macht“ (2012) folgten. 2005 erhielt Riemelt auf der Berlinale die Auszeichnung des deutschen „Shooting Stars“ von der European Film Promotion.
Auch mit Dominik Graf arbeitete Riemelt mehrmals zusammen – zunächst als Hauptdarsteller im Spielfilm „Der rote Kakadu“ (2005; Bayerischer Filmpreis als „bester Nachwuchsdarsteller“, „Bester Darsteller“ beim Int. Filmfestival Marrakech), danach in der vielbeachteten und mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten TV-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ (2010; Deutscher Fernsehpreis für das Schauspielerensemble; Grimme-Preis als einer von vier ausgezeichneten Darstellern).
Neben weiteren Kinohauptrollen („13 Semester“, „Heiter bis wolkig“, „Der deutsche Freund“) war Riemelt in dieser Zeit in diversen TV-Episodenhauptrollen zu sehen. 2013 feierte er an der Seite von Hanno Koffler – mit dem er bereits in „Hallesche Kometen“ von Susanne Irina Zacharias (2005) und dem TV-Drama „Auslandseinsatz“ von Till Endemann (2012) gespielt hatte – einen großen Erfolg in dem schwulen Liebesdrama „Freier Fall“ (3. Günther Rohrbach Filmpreis).
Es folgten internationale Kinorollen, für die Riemelt u.a. mit Barbet Schroeder („Amnesie“, 2014) und Cate Shortland („Berlin Syndrome“, 2015) zusammenarbeitete. 2015 besetzten ihn die Wachowski-Geschwister in ihrer queeren Netflix-Serie „Sense8“ (2014-17), und 2018 übernahm er eine Rolle in der BBC-Serie „World on Fire“.
Aktuell steht Max Riemelt für den Kinderkinofilm „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ vor der Kamera und ist demnächst in einer von „Freier Fall“-Regisseur Stephan Lacant inszenierten „Tatort“-Folge („Die Zeit ist gekommen“, 2019) zu sehen.
Buch & Regie
Savaş Ceviz
Kamera
Anne Bolick
Montage
Frank Brummundt, Savaş Ceviz
Szenenbild
Uli Friedrichs, Madeleine Schleich
Kostümbild
Teresa Grosser
Musik
Jens Südkamp, Savaş Ceviz
Kindercasting
Patrick Dreikauss
Maske
Heidi Wick
Ton
Aljoscha Haupt
Sounddesign & Mischung
Alexander Heinze, Björn Wiese, Christian Wilmes, Christian Riegel
Colorgrading
Daniel Kraus
Regieassistenz
Annette Drees
Aufnahmeleitung
Ina Blus
Produktionsleitung
Sebastian Ebert
Redaktion
Stefanie Groß
Produzenten
Christoph Holthof, Daniel Reich
Markus
Max Riemelt
Arthur
Oskar Netzel
Jessica
Isabell Gerschke
Markus' Schwester
Luise Heyer
eine Produktion der kurhaus production
in Koproduktion mit dem Südwestrundfunk
gefördert von der MFG Filmförderung
im Verleih von Salzgeber