Für die vielen solidarischen und positiven Reaktionen auf meinen „Offenen Brief“ – durchaus aus ganz verschiedenen Ecken unserer Branche – möchte ich mich herzlich bedanken. Selbstverständlich haben sich die eigentlich Zuständigen nicht gerührt und da ich nun schon eh Persona non grata bin schicke ich heute ein fröhliches
Moin Moin, Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein!
Am 25.2.2022 wurden die sehr schicken und „digital animierten“ Jahresberichte 2020 und 2021 der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein veröffentlicht und ich darf mir dazu ein paar Hinweise erlauben.
Eine Million extra für Corona-bedingte Mehrkosten in der Produktion, 1,95 Millionen für das Sonderprogramm 3×3, um Drehbücher zu entwickeln, oder 3 Millionen für Kinos, um die Auswirkungen der Kinoschließungen in der Pandemie abzumildern. Das sind stolze Zahlen, vor allem auch wenn man sich bewusst macht, in welchem Umfang im gleichen Zeitraum die Verleihförderung gekürzt wurde. Wurden 2019 noch 34 Filme mit einem Betrag von Euro 1.118.500 im Verleih gefördert, waren es 2020 noch 27 Filme mit Euro 847.750 und 2021 nur noch 15 Filme mit Euro 607.355.
Und ich kann auch berichten, wie das abgelaufen ist. Im Frühjahr 2020 und nach der Uraufführung des Films „Schlaf“ auf der letzten regulären Berlinale hatte ich mich an die Filmförderung Hamburg-Schleswig Holstein gewendet, um eine Unterstützung im Verleih zu besprechen. Im Vorgespräch wurde gesagt, Euro 20.000 sei zu viel, beantrage mal Euro 15.000 und das Gremium hat dann Euro 12.000 bewilligt. Wohlbemerkt: alles mitten während Corona. Es erfolgte noch der Hinweis, dass mein Verleihkonzept wohl wenig überzeugend gewesen sei und Helge Albers erklärte, „gekürzt werde doch immer“ oder „ich wisse doch, wie es bei der FFA laufe“. Abgesehen davon, dass ich auch nach über 35 Jahren Salzgeber nie die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein mit der FFA verwechseln würde, war also klar, dass hier ein neuer Wind weht. Und dieser Wind bedeutet auch, dass ich bei „Futur Drei“, als ich nach einer Unterstützung von Euro 1.000 fragte, um zum Kinostart eine Paneldiskussion über Diversität im Deutschen Film in Hamburg zu organisieren, mit dem Hinweis, das könne nur ein Produzent, abgebügelt wurde. Mein Einspruch, dass ich keinen Produzenten kennen würde, der für 1.000 Euro ein Konzept schreiben und einen Antrag abwickeln würde, verhallte ungehört.
Ich habe mir jetzt einfach mal die „erfolgreicheren“ Antragstellungen im Verleihbereich angeschaut, denn derartig vor dem Gremium und der neuen Geschäftsführung versagt zu haben, nagt natürlich schwer an mir. Und für die Eiligen, die nicht so genau schauen wollen: Unser Film „Schlaf“ hat die Steuerzahlenden im Verleih Euro 4,02 (Euro 12.000 für 2.984 Besucher:innen an vier Tagen, denn dann war wieder Lockdown) gekostet. Und das ist schon mal besser als „Into the Beat“ mit Euro 4,49, „Cortex“ mit Euro 12,66 oder „Curveball“ mit Euro 25,68 Verleihfördermittel pro Besucher:in. Und „Land“ von Gremiumsmitglied Timo Großpietsch mit Euro 67,26 pro Besucher:in lassen wir einfach mal beiseite, denn eigentlich zählt nur, dass da jedes Mal ein Filmverleiher seine 150% Regionaleffekte erfüllt und seinen Eigenanteil von 50% investiert hat und ich hier keinen einzigen Kollegen entdecken kann, der da irgendwo noch Geld verdienen konnte. Es waren 2020 im Durchschnitt einfach mal ganz banal Euro 2,91 Steuermittel und in gleicher Höhe Verleihmittel und damit Euro 5,82, die pro Besucher:in der stolzen Hamburger Förderentscheidungen aufgewendet wurden. Und wer vor lauter Premiereneinladungen das nicht mehr weiß: Der statistische Kinoeintrittspreis 2020 lag bei Euro 8,35 und es sind so ungefähr 36% des Nettobetrags von Euro 7,80, die beim Verleih landen, und das sind Euro 2,80. Und 2021 waren es dann übrigens Euro 1,91 Fördermittel und damit gnädigere Euro 3,82 pro Besucher:in und das verdanken wir „Catweazle“, der mit Euro 80.000 aus Hamburg Schleswig-Holstein und Euro 1.100.000 von anderen Förderungen unterstützt wurde und 628.389 Besucher:innen erreichte, was dann Euro 1,88 pro Besucher:in ausmacht. Wer jetzt sagt, dass das alles an Corona liegt, dem antworte ich gerne, dass schon 2018 der einzige Kinofilm von Gremiumsmitglied Mia Spengler „Back for Good“ mit 35.000 Euro Verleihförderung 3.238 Besucher:innen erzielte oder „Schönheit & Vergänglichkeit“ von Gremiumsmitglied Annekatrin Hendel mit Euro 30.000 Verleihförderung und 3.801 Besucher:innen ausgewertet wurde.
Eine Logik in den Förderentscheidungen oder eben in der Kürzung bei „Schlaf“ konnte ich leider nicht entdecken und habe deshalb meine Zusammenarbeit bei nur Hamburg-Schleswig-Holstein-geförderten Filmen eingestellt. Aber das ist heute nicht mein Thema.
Im Jahresbericht heißt es zynisch „Die Pandemie-Jahre 2020 und 2021 waren harte Zeiten für den Filmverleih: Die Kinos blieben monatelang geschlossen und die fertigen Filme stapelten sich in der Warteschlange. (…) Unser Hoffnungsschimmer liegt auf dem Jahr 2022 – mit einer entspannteren Corona-Lage und neuen Kinostarts wie Michael Bully Herbigs ‚Tausend Zeilen‘ oder die Docu-Fiction ‚Willi und die Wunderkröte‘“. Zitat Ende.
Man nennt eine veritable Katastrophe euphemistisch „harte Zeiten“, kürzt gleichzeitig die Verleihförderung um fast 50% und lässt dabei in der Präsentation ein lustiges, kleines U-Boot über den Bildschirm tuckern? Man setzt seine „Hoffnung“ in Bully Herbig und in eine Kino-Doku zu einer TV-Kindersendung aus den Jahren 2002 bis 2010? Wo sind die 61 Spielfilme und 31 Dokumentarfilme, die in der Produktion gefördert wurden? Wann, wo und wie sollen diese Filme ihren Weg ins Kino finden?
Das ging alles schon mal besser und ich wünsche Euch, dass Ihr nicht noch mehr langjährige Partner vergrätzt, denn Erfolg geht anders.
Beste Grüße
Björn Koll
am 3. März 2022
—
Die Erfolgsbilanz der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein:
Hier gibt es den Brief als PDF.