ein Film von Katarina Peters
Deutschland 2012, 96 Minuten, deutsch-englisch-hebräische Sprachfassung mit deutschen Untertiteln
FSK 6
Die weltweiten Auftritte und Workshops der Gender-Aktivistin Diane Torr sind legendär. Das große Thema der Performance-Künstlerin seit inzwischen über 30 Jahren: das theoretisch-künstlerische und pragmatisch-handfeste Experimentieren mit Aspekten geschlechtlicher Identität. Katarina Peters beobachtete den Verlauf eines Berliner Workshops von Diane Torr, in dem eine Gruppe aufgeschlossener Frauen sich mit den Geheimnissen des Mannseins vertraut macht. Was macht einen Mann zum Mann, was eine Frau zur Frau? Wo und wann wird die geschlechtliche Identität formatiert? Was ist natürlich, was ist antrainiert? Jeder von Torrs Workshops ist ein soziales Labor-Experiment mit offenem Ausgang für die Teilnehmenden: Ist es möglich, über das selbst-bewusste Durchspielen unterschiedlicher Rollenmuster Freiheiten zu schaffen und Grenzen zu überschreiten bezüglich genuin männlicher, respektive weiblicher Eigenschaften?
Seit über 30 Jahren verbindet mich eine enge Freundschaft mit der Performance-Künstlerin und Gender-Aktivistin Diane Torr. Als wir uns kennenlernten, zog sie gerade von Schottland nach New York und arbeitete als Go-go-Tänzerin um sich durchzuschlagen. Seither erforscht sie in Theorie und Praxis Aspekte von Sexualität und Gender-Identität. Mit ihren Performances und dem von ihr seit 1989 entwickelten Workshop: „Man for a Day – Gender-Verhalten und Kodifizierung von Gestus“ ist sie eine der bedeutendsten Wegbereiterinnen einer weltweiten „Drag King Kultur“.
Ihr Lebenswerk kreist um die Fragen: Was macht den Mann zum Mann, was macht die Frau zur Frau? Wie werden wir „GE-GENDERED“? Seit 23 Jahren hat Diane Torr mit ihrem Workshop Hunderte von Frauen in die Geheimnisse des Mannseins eingeweiht und gezeigt, wie sie sich in den Mann ihrer Wahl verwandeln können. Ist es möglich, Freiheiten zu schaffen und Grenzen zu überschreiten bezüglich dessen, was eine „Frau“ oder ein „Mann“ kann oder nicht kann, zunächst im Rahmen einer spielerischen Situation und dann im realen Leben?
Was sind die Ursprünge von Gender-Identität? Was ist das ursprüngliche Selbst? Was ist das kultivierte Selbst? Das Selbst darstellen – was heißt das? Wer verkörpert welche Gestik? Ist es möglich sich eine andere Körpersprache anzueignen? Kann man viele Gender-Identitäten haben? Und ist diese Technik hilfreich, die Glasdecke zu durchstoßen, von der wir uns eingeengt fühlen?
Fragen die jede Generation von Frauen und Männern aufs Neue erleidet und zu beantworten versucht. Mein Film „Man for a Day“ begleitet eine Gruppe von mutigen Frauen die das Experiment vor der Kamera in einem Workshop in Berlin gewagt haben. Eindeutige Antworten auf die zahlreichen Fragen habe ich leider auch nicht parat – aber enorm viel Spaß am Experiment!
DIE WORKSHOPLEITERIN
DIANE TORR kommt ursprünglich aus dem schottischen Aberdeen, ging aber nach ihrem Abschluss am Dartington College of Arts 1976 nach New York. In den nächsten 30 Jahren wurde sie zum integraler Bestandteil der Downtown-Kunstszene Manhattans, entwickelte über 35 Performances, Videos und Installationen, die an Orten wie dem Franklin Furnace, The Kitchen oder Clubs wie The Mudd Club oder Danceteria präsentiert wurden. Internationale Performances fanden u.a. beim an-de-werf-Festival in Utrecht und im Migros-Museum in Zürich statt. Sie ist ein Fellow des Whitney Museum Independent Study Programs und erwarb 2003 einen Master in den Schönen Künsten an der Milton Avery Graduate School, Bard College, New York. Momentan lebt sie in Glasgow, wo sich auch ihr Atelier befindet und an dessen Kunsthochschule sie unterrichtet.
Diane wird als Physiophilosophin bezeichnet – eine Denkerin des Körpers. Sie hat sich intensiv mit den verschiedensten Formen des Körperwissens beschäftigt: mit dem japanischen Kampfsport Aikido (sie hat den Schwarzen Gürtel Dritten Rangs vom New York Aikikai), Körperarbeitstechniken wie Kontaktimprovisaton, Release-Technik oder Bewegungsimprovisationen, mit Körpermechanik (Motorik, Körperhaltung), und Körperarbeit (Shiatsu-Massage, Touch-for-Health).
International bekannt wurde Diane als Pionierin der Drag King Performance (female-to-male-drag). 2002 organisierte und kuratierte sie zusammen mit der Berliner Künstlerin Bridge Markland das „godrag! Festival“ im Berliner Tacheles – eine bahnbrechende, heute legendäre Veranstaltung, in denen einen Monat lang weibliche Performances zu den Themen Männlichkeit, Weiblichkeit und Androgynie zu sehen waren. Seit mehr als 20 Jahren bietet Diane ihren berühmten „Man-for-a-Day“-Workshop an – ob in Europa, Nordamerika, Brasilia, Istanbul oder Neu Delhi. Ausschnitte daraus sowie aus ihrer Performance „Drag Kings and Subjects“ konnte man in dem Dokumentarfilm „Venus Boyz“ (2002) sehen. Zusammen mit ihrem Co-Autor Stephen Bottoms hat Diane ein Buch über ihre Arbeit verfasst: „Sex, Drag and Male Roles; Investigating Gender as Performance.“ (University of Michigan Press, Oktober 2010)
DIE WORKSHOPTEILNEHMER:INNEN
SUSANN SCHÖNBORN (alias Andi) wurde 2004 von ihrer Mutter erfolgreich zur “Miss Oberhavel“-Wahl angemeldet, danach war sie Miss Prenzlau, Miss Ostpregnitz-Ruppin, Miss Havelland, Miss Uckermark und Miss Spreewald. Ihr hat es Spaß gemacht, die Prinzessin zu spielen und am Ende einer Misswahl die Krone aufgesetzt zu bekommen. Männer sind für sie „ein großes Buch mit Fragenzeichen“. Als Susann als Andi nach Hause kommt, finden Mutter und Vater dies zunächst amüsant, doch als Susann ankündigt, dass sie jetzt so bliebe, schlägt die Stimmung um und ihre Mutter will ihre hübsche Tochter zurück.
THERESA THEUNE (alias Walter) ist alleinerziehend, hat drei Kinder. Ihr Mann beschloss während des Hausbaus, doch nicht mit einzuziehen. Theresa hat damit angeschlossen, sich zu „dekorieren“, um einen Mann kennen zu lernen. Doch beschäftigt sie sich mit dem Männerbild, das sie ihren Söhnen vermitteln könnte. Im Workshop schwankt sie zwischen Lehrer, Physiker und Stadtplaner. Ihre Entscheidung fällt schließlich auf Klimafolgen-Forscher.
EVA-MARIE TORHORST (alias Christian) kommt aus München und ist Politikberaterin bei den Grünen. Sie beneidet Männer darum, dass sie „Windstille“ genießen, nicht auf Schuhen balancieren müssen und nicht darauf achten müssen, ob ihr Make-Up sitzt.
TAL PEER (alias Marco) ist Fashiondesignerin und hat auch schon Männermode entworfen. Die Leute halten sie für ziemlich tough, aber eigentlich fühlt sie sich als Sissy. Wenn sie aber versucht, auch so auszusehen, kommt die sich wie eine Drag Queen vor.
ROSA MARIA DOS SANTOS (alias Ramos) hat ziemlich üble Erfahrungen mit Männern gemacht. Ihr Ex-Freund hat sie geschlagen, deshalb war sie zweimal im Frauenhaus.
KATARINA PETERS (Regie & Buch) wurde 1958 in Hamburg geboren. Studium: Skulptur, Film und Performance am Art Institute San Francisco, danach Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin. Meisterschülerin der Künste. Von 1990 bis 1998 Management der Schnittstelle Potsdamer Platz (Filmproduktion & Postproduktions-Studio). Seit 1979 arbeitete Peters als Filmregisseurin, Tonmeisterin und Szenenbildnerin. Sie verstarb am 12. Oktober 2021 im Alter von 63 Jahren.
1980
„Underneath it all you are a woman“ (Dok-Essay), Regie & Buch
1981
„Skin Life Beauty“ (Dok-Essay), Regie & Buch
1981
„Keep your Mind on a hot Man“ (Kurz-Dok), Regie & Buch
1982
„Bauch Film“ (Experimentalfilm), Regie & Buch
1986
„Zentri-Fuge“ (Experimentalfilm), Regie & Buch
1986
„Am Rand der Erde“ (Experimentalfilm), Regie & Buch
1986
„Kuddelmuddel auf der Insel im Roten Meer“, Buch
1988
„Ein Sommer in Mezra“, Buch
1993
„Reisende“, Buch
1995
„Mascha & Gelb (– wenn die Sättigungsbeilage in die Sehnsucht fällt)“ (Experimentalfilm)
2004
„Am seidenen Faden“ (Dok), Regie & Buch
2012
„Man for a Day“ (Dok), Regie & Buch
Regie & Buch
Katarina Peters
Kamera
Susanna Salonen, Yoliswa Gärtig, Katarina Peters
Montage
Friederike Anders, Jana Teuchert
Ton
Ivonne Gärber, Jasmin Oerters, Katarina Peters
Beleuchtung
Axel A. Berger
Ausstattung
Reinhild Blaschke
Kostüm
Lucie Bates
Fotografie
Inga Knölke
Schnittberatung
Rainer Grams
Schnitt-Assistenz
Willi Wonneberger
Produktionsleitung
Katrin Springer
Aufnahmeleitung
Madeleine Senft v. Pilsach, Martin Jabs, Shian Holt, Lorna Ferguson
Musik
Jan Tilman Schade, Gudrun Gut, Ben Freyer
Sound Design
Kuen-Il Song
Mischtonmeister
Ansgar Frerich
Farbkorrektur
Matthias Behrens
Titelgrafik
Marius Moerders, Jens Höft
Produzentin
Katarina Peters
Co-Produzentin
Louise Scott
Redaktion
Burkhard Althoff
Produktionsberatung
Gamma Bak
Produktionsassistenz
Dagmar Cassens, Friederike Frach
eine Katarina Peters Filmproduktion
in Koproduktion mit ZDF / Das kleine Fernsehspiel und mediaco-op
in Zusammenarbeit mit YLE Co-Produktions Outi Saarikoski
gefördert durch Medienboard Berlin-Brandenburg, DFFF
unterstützt vom MEDIA Programm der Europäischen Union und der National Lottery mit Creative Scotland
im Verleih von Salzgeber