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Moffie

ein Film von Oliver Hermanus

UK/Südafrika 2019, 103 Minuten, Originalfassung in Englisch und Afrikaans mit deutschen Untertiteln

FSK 16

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Moffie

Südafrika 1981, zur Zeit der Apartheid: Wie alle weißen jungen Männer muss auch Nicholas Van der Swart seinen zweijährigen Militärdienst leisten, um das Regime vor der Bedrohung durch den Kommunismus und die „Schwarze Gefahr“ zu verteidigen. Dass Nicholas schwul ist, darf niemand wissen, denn wer in der Truppe als „Moffie“ erkannt ist, wird brutal schikaniert und gequält. Doch dann verliebt sich Nicholas in seinen Kameraden Dylan …

Mit epischer Bildsprache zeigt Oliver Hermanus’ authentisches Soldatendrama, wie das Apartheid-Regime neben all seinen rassistischen Gräueltaten auch unzählige weiße junge Männer körperlich und physisch zugrunde gerichtet hat – durch das staatliche Verlangen, Homosexuelle und alle anderen „Abweichler“ aus der südafrikanischen Gesellschaft zu beseitigen.

Trailer

Pressestimmen

In der taz bezeichnet Stefan Hochgesand „Moffie“ als „eine eindringliche, wichtige Geschichte darüber, wie menschenfeindliche Militärdoktrin und Homophobie Hand in Hand gehen“.

Jörg Albrecht fasst in Deutschlandfunk Corso zusammen: „In ‚Moffie‘ verflechtet Oliver Hermanus die Härte aus ‚Full Metal Jacket‘ mit der Poesie von ‚Brokeback Mountain‘ zu einem bewegenden Coming-of-Age-Drama, das nicht nur historisch zu lesen ist – schließlich existieren homophobe Männergesellschaften weiterhin.“

Knut Elstermann schwärmt auf MDR Kultur von einem „queeren Meisterwerk“.

In der internationalen Presse wurde der Film u.a. bereits als „brillante Analyse weißer Männlichkeit“ (Variety) und als „Triumph“ (Screen Daily) beschrieben.

DIRECTOR’S STATEMENT
OLIVER HERMANUS ÜBER SEINEN FILM

Ich wusste nicht sehr viel über den Grenzkrieg zwischen Südwestafrika (heute Namibia) und Angola, und ich wusste nicht viel über die Generation weißer südafrikanischer Männer, die in diesem Krieg kämpfen mussten. Ehrlich gesagt habe ich mir über die Probleme weißer Südafrikaner nie viel Gedanken gemacht. Angesichts der Mühen und Kämpfe meiner farbigen Eltern und der Menschen vor ihnen glaubte ich, dass alle weißen Menschen in Südafrika ein gutes Leben führten. Zum größten Teil stimmt das auch. Das System bevorzugte sie, es war durch und durch unfair und unverzeihlich. Deshalb machte ich mir in den Achtzigerjahren nie Gedanken über weiße schwule Jugendliche, ich hielt sie nicht für Feinde des Staates. Dieser Film handelt von einem solchen Jugendlichen. Weiß, achtzehn Jahre alt und auf dem Weg in die Illegalität.

In den vergangenen zwanzig Jahren sind viele Geschichten über das Apartheidsystem erzählt worden und über die Leben, die es ruinierte, die Helden, die es hervorbrachte und den Zoll, den es dem Erbe des südafrikanischen Volkes abverlangte. Doch hier geht es um einen komplexeren Aspekt – die verborgene Geschichte der weißen Männer, die die Propagandamaschinerie der Apartheid ertragen mussten. Viele von ihnen wurden durch die Einberufung in die Armee zugrunde gerichtet; fast eine Million weißer Jungen wurden gezwungenermaßen mit der Ideologie weißer Überlegenheit infiziert, mit rassischer Intoleranz und dem Verlangen, Homosexualität und Kommunismus aus der südafrikanischen Gesellschaft auszutilgen. Obwohl er der herrschenden Rasse angehört, ist das Leben unserer Hauptfigur Nick in Gefahr. Er ist Eigentum des Staates und soll ohne Widerstand und ohne zu fragen dessen Ziele verteidigen, obwohl sie nicht verteidigt werden können. Ihm wird befohlen, sich für die Ziele der Regierung aufzuopfern und den Tod in Kauf zu nehmen. Der Krieg, in dem er kämpft, ist sinnlos, und die menschlichen Opfer sind vergebens. Er ist unschuldig einem rassistischen Terror ausgesetzt worden, und am Ende kann keine Partei einen echten Sieg verbuchen. Unsere Geschichte ist die Geschichte von Nicholas‘ Überlebenskampf, in dessen Verlauf er Verluste und Leid ertragen muss, doch am Ende weiß er, welche Rolle ihm in „diesem“ Südafrika zukommt.

Es muss gesagt werden, dass Angehörige dieser Generation, die in der Armee nicht nur für den Krieg an der Grenze, sondern für den Alltag Südafrikas geprägt wurden, noch heute am Leben sind. Es sind Väter und Brüder, Söhne und Onkel. Sehr wenige von ihnen reden über ihre Zeit bei der Armee, als habe es die Militarisierung dieser Jungs kurz vor dem Fall der Apartheid nie gegeben. Doch die Erinnerung ist noch am Leben, und selbst bei denjenigen, die nicht schwul waren oder Widerstand gegen das System geleistet haben, ist der Schaden groß und noch immer vorhanden. Dies ist ein Film darüber, wie fast ein Jahrhundert lang südafrikanische Männer gemacht wurden.

Unser Titel „Moffie“ ist ein drastischer, abwertender Ausdruck in Afrikaans für „schwul“. Er ist eine südafrikanische Waffe, um schwule oder effeminierte Männer zu beleidigen. Wenn man dieses Wort das erste Mal hört, versucht man, sich davor zu verstecken. Man beginnt, sich zu verstellen, man tut so, also wäre man jemand anderes. Die Schande ist sofort real, man merkt, dass man entdeckt und aussortiert wurde. Das Wort sagt, du bist schlecht, du hast kein Recht, akzeptiert oder gemocht zu werden, und jeder kann dich zurückweisen. Und zur Zeit der Apartheid war man, genau wie schwarze Männer und Frauen, kriminell. Deshalb musste man ihn beseitigen, ihn verbergen, ihn töten – den „Moffie“ in sich selbst.

INTERVIEW
Im Gespräch MIT OLIVER HERMANUS

Was inspirierte Dich dazu, André-Carl van der Merwes berühmte Erinnerungen zu verfilmen?

Als ich das Buch das erste Mal las, war ich von der Struktur der Geschichte und den Details beeindruckt, mit denen es von diesem Abschnitt unserer Geschichte erzählt. Ich wusste nichts über die Behandlung schwuler Rekruten, über die psychiatrische Behandlung in Ward 22 oder den Schaden, den dieses System so vielen Männern zugefügt hat. Ich spürte deutlich, dass „Moffie“ einen Wert hatte, der auf die Kinoleinwand gebracht werden musste.

Welcher Aspekt der Geschichte beeindruckte Dich vor allem?

Im Zentrum dieses Films steht ein Wort, „moffie“. Jeder schwule Mann in Südafrika kennt dieses Wort und hat eine Beziehung dazu. Es ist eine Waffe, die schon so lange gegen uns benutzt wird. Ich spürte den starken Drang, meine eigene Geschichte mit diesem Wort zu erkunden, und sie wurde schließlich eine Szene im Film. Ich glaube, im Kern meiner Entscheidung, diesen Film zu machen, steht der Wille, dieses Wort „abzurüsten“ und zu reformieren.

Fragen der Identität und Sexualität haben heute eine größere Bedeutung als 1981, dem Jahr, in dem die Geschichte spielt, siehst Du das auch so?

Vollkommen. Wir leben in einer globalen Kultur und erleben noch immer die Verfolgung der LGBT-Gemeinschaft auf der ganzen Welt. Zur gleichen Zeit wird die Stimme dieser globalen Gemeinschaft lauter gehört als je zuvor. Ein Film wie „Moffie“ soll uns daran erinnern, woher wir kommen, was wir ertragen und erlitten haben und weshalb es so wichtig ist, niemals aufzuhören, sich stolz zu Wort zu melden.

Manche meinen, „moffie“ habe eine abwertende Bedeutung, andere gebrauchen das Wort als eine Art Kosename. Wie verstehst Du es?
Ich verstehe es als eine Waffe und vermeide es, das Wort zu benutzen. Für mich ist es noch immer ein Stigma. Diesen Film zu machen gab mir die Möglichkeit, mit anderen schwulen Männern über ihre Beziehung zu diesem Wort zu reden. Ich glaube, die meisten empfinden dabei noch immer Schmerzen. Ich bin sehr dafür, sich das Wort anzueignen, aber ich hoffe, ihm dadurch, dass ich es als Titel des Films benutze, einen Teil seiner Giftigkeit zu nehmen – wie es schon das Buch getan hat.

Erzähl mir von einigen Aspekten, ein Moffie zu sein, wie sie im Film gezeigt werden.

Der Film fokussiert in erster Linie auf Männlichkeit. Er erkundet, wie weiße südafrikanische Männer seit mehr als hundert Jahren geprägt wurden. Wie das System der Apartheid, die Armee und die konservative Ausrichtung dieses Landes den jungen Männern eine Ideologie von Überlegenheit und Hass eingetrichtert haben. In diesem Kontext ist es ein Verbrechen, ein Problem, ein Fehler, ein Moffie zu sein.

Wie bist Du als Filmemacher mit diesen Themen umgegangen?

Mit umfangreichen Recherchen. Für mich persönlich kam es darauf an, am Kern des Themas festzuhalten – dass es ein System von Hass und Aussonderung war und die Zielsetzung bei der Einberufung von Rekruten darin bestand, dieses System zu schützen und zu stärken. Diesen Prozess will ich im Film zeigen, das Publikum soll Zeuge dieser Indoktrination werden und sie selbst spüren.

Was meinst Du, warum war es so schwer für junge Rekruten in dieser Periode der südafrikanischen Geschichte, mit ihrem Schwulsein klarzukommen?

Aufgrund der simplen Tatsache, dass es als Verbrechen angesehen wurde und gefährlich war. In dieser Zeit war die Gesellschaft entschlossen, schwule Männer und lesbische Frauen zu einem Leben im Verborgenen zu zwingen.

Glaubst Du, dass sich viel geändert hat, selbst angesichts der Unterstützung der Rainbow Nation durch die Verfassung?

In der Armee bin ich mir da nicht so sicher. Doch in der allgemeinen Öffentlichkeit hat sich etwas geändert. Ich glaube, allein die Tatsache, dass ich solch einen Film machen kann, ist ein Beweis dafür.

Schwule im Militär sind auf der ganzen Welt ein Problem. Woran liegt es Deiner Meinung nach, dass diese Umgebung eine solche Konfrontation erzeugt?

Ich glaube, das liegt in der Natur des Militärs – es ist ein durch und durch männlicher, heterosexueller Raum, der in hohem Maß von Männern bevölkert ist. Ich glaube, dieser Rahmen schafft die Erwartung und die Annahme, dass alle Männer im Militär heteronormativ sein wollen. Allerdings sehen wir jetzt, dass sich das ändert.

In Ihrem Film „Skoonheid“ erforschst Du die Psyche eines jungen Mannes, der das Objekt der Begierde eines älteren Mannes wird. In „Moffie“ erkundest Du die Sexualität eines schwulen Mannes, der von der Gesellschaft und den Gesetzen der Apartheid ins Gefängnis geworfen wird. Wie hängt das zusammen?

„Skoonheit“ handelt von Unterdrückung und Selbsthass, wogegen „Moffie“ erzählt, wie es dazu kam – durch Scham und Indoktrination. Die beiden Filme gehen natürlich Hand in Hand, man könnte sogar sagen, dass „Moffie“ das Vorspiel ist, aber ich glaube, ihre Botschaften sind sehr unterschiedlich. „Moffie“ handelt von der Reise eines schwulen Mannes durch das SADF, doch er beschreibt ebenfalls die Reise einer ganzen Generation weißer Männer, schwul und hetero. Sie alle bekommen seine Aufmerksamkeit.

War es ein schwieriger Weg von den Dreharbeiten zum Film?

Der Weg dauerte vier Jahre! Ich würde sagen, das Haupthindernis war das Casting. Weil die Figuren allesamt um die 18 Jahre alt sind, hatten wir es mit einer schwierigen Altersgruppe zu tun. Wir brauchten über ein Jahr, um die wichtigsten Rollen zu besetzen, und waren begeistert von all den unentdeckten Talenten Südafrikas.

Erzähl mir von den Schauspielern und davon, wie Du sie dazu gebracht hast, den Figuren Leben zu verleihen.

Die Darsteller setzen sich aus Oberschülern, ausgebildeten Schauspielern, Laiendarstellern und realen Figuren zusammen. Sie haben viel Zeit mit einem Militärausbilder verbracht, der ihnen die SADF-Grundausbildung vermittelt hat. Sie haben gelernt, mit R1-Gewehren zu schießen, und was militärischer Drill bedeutet. Danach verbrachte ich einige Wochen mit ihnen bei Proben in Cape Town, um ihnen so viel geschichtliches Wissen wie möglich über diese Zeit zu vermitteln.

Welche Wirkung auf das Publikum wünschst Du Dir für „Moffie“?

Ich hoffe, das Publikum wird eine ganz persönliche Erfahrung machen. Der Film kommt von Herzen und ist emotional. Ohne Frage wird er bei manchen Erinnerungen an ihre eigene Zeit beim Militär wachrufen, aber ich glaube, in erster Linie drückt der Film auf die Tränendrüse. Ein paar Tränen wären nicht schlecht (lacht)!

Biografie

OLIVER HERMANUS (Regie & Buch) wurde 1983 in Kapstadt geboren. Er studierte Film an der London Film School. Für seine Filme wurde er weltweit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Sein Debütfilm „Shirley Adams“ wurde 2009 im Wettbewerb von Locarno uraufgeführt. Sein zweiter Film „Skoonheid“ lief 2011 in Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“ und wurde mit der Queer Palm ausgezeichnet. Sein dritter Film „The Endless River“ feierte Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig – und war der erste südafrikanische Film, der jemals in den dortigen Wettbewerb eingeladen wurde. „Moffie“ ist Hermanus‘ vierter Film.

Filmografie:
  • 2009

    „Shirley Adams“

  • 2011

    „Skoonheid“ („Beauty“)

  • 2015

    „The Endless River“

  • 2019

    „Moffie“

Credits

Crew

Regie

Oliver Hermanus

Buch

Oliver Hermanus, Jack Sidey

Schnitt

Alain Dessauvage, George Hanmer

Kamera

Jamie D Ramsay

Musik

Braam du Toit

Produktionsdesign

Franz Lewis

Kostümdesign

Reza Levy

Produzenten

Eric Abraham, Jack Sidey

Koproduzent_innen

Theresa Ryan-Van-Graan, Lamees Albertus, Genevieve Hofmeyr

Cast

Nicholas Van der Swart

Kai Luke Brummer

Dylan Stassen

Ryan de Villiers

Michael Sachs

Matthew Vey

Oscar Fourie

Stefan Vermaak

Sergeant Brand

Hilton Pelser

eine Produktion von Portobello Productions

im Verleih von Salzgeber