Unter Männern - Schwul in der DDR
UNTER MäNNERN - SCHWUL IN DER DDR
Unter Männern - Schwul in der DDR

Unter Männern - Schwul in der DDR

ein Film von Ringo Rösener und Markus Stein

Deutschland 2012, 91 Minuten, deutsche Originalfassung

FSK 12

Kinostart: 26. April 2012

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Unter Männern - Schwul in der DDR

Schwulsein war im Sozialismus kein Thema. Das war ein „Überbleibsel dekadenter bürgerlicher Moral“ und würde sich schon von allein erledigen, dachte man. Da nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Verschärfung des § 175 anders als in der BRD im Osten wieder zurückgenommen wurde, konnte man dort zunächst freier leben – es wurde eben nur nicht darüber geredet. Wie man als Schwuler in der DDR gelebt und geliebt hat, davon erzählen in diesem Film sechs Männer – und sind sich dabei keineswegs immer einig. „Unter Männern“ erzählt von Individualität in einem uniformen System.

Zum ersten Mal fragt ein Film nach, wie Schwule in der DDR gelebt haben – darunter so unterschiedliche Männer wie der Künstler Jürgen Wittdorf und der Friseur Frank Schäfer, der Bürgerrechtler Eduard Stapel und John Zinner, der sein Coming-Out in einem kleinen Dorf im Thüringer Wald erlebt hat. Befragt hat sie Ringo Rösener, Anfang der 1980er in der DDR geboren, der wissen will, ob er als erwachsener schwuler Mann dort hätte leben können. Eltern und Großeltern kann man danach schließlich nicht fragen.

Unter Männern - Schwul in der DDR
UNTER MäNNERN - SCHWUL IN DER DDR

Trailer

Historischer Hintergrund

Vor mehr als zwei Jahrzehnten existierte in Europa ein Land, das die Grenze zu einem anderen politischen und wirtschaftlichen System markierte und doch die Mitte des Kontinents darstellte. Dieses Land nannte sich Deutsche Demokratische Republik, verwirklichte den Sozialismus und war Heimat für 17 Millionen Menschen. Tief in der ostdeutschen Provinz geboren, bekam Ringo Rösener gerade noch den Zusammenbruch mit. Mit dem Jahrtausendwechsel verlässt er seine Geburtsstadt Anklam und lebt seine Homosexualität aus – das ist etwas, das er sich bis dahin nie getraut hatte. Wäre so ein offen schwules Leben im real existierenden Sozialismus möglich gewesen?

Ringo Rösener begegnet sechs schwulen Männern, die in der DDR lebten und die zum Teil erstmals offen über ihre Sexualität sprechen. Nach und nach lassen sie ihn an ihren eigenen persönlichen Geschichten teilhaben und sprechen von ihrem Leben in einem vermeintlich uniformen Staat.

Für den Grafiker und Zeichner JÜRGEN WITTDORF (1932) „ging das alles einfach weiter“ – wenn er an den Anfang der DDR denkt. Er ist noch in der Pubertät, als er die Trommeln der HJ für die FDJ umlackieren musste. Sexualität kommt da erstmal nicht vor. Darüber wird sich ausgeschwiegen. in den späten 1940er Jahren beginnt der junge wittdorf zu zeichnen, und zwar alles, „was nicht bis drei auf dem Baum war“. Jahre später, im Leipzig der 1950er Jahre, widmet er sich dem Aktstudium und entdeckt dabei die Männerkörper. was das mit seiner Sexualität zu tun hat, versteht er noch nicht. Mit seinen ersten Erfolgen kommen auch Männer, die sich für seine Zeichnungen interessieren. Erst jetzt wird Wittdorf klar, dass er schwul ist. ihm erschließt sich eine neue Welt, die damals noch unter dem Paragrafen 175 verhandelt wurde und im nächtlichen Leipzig Gefahren barg.

CHRISTIAN SCHULZ (1934) entwickelt früh eine Leidenschaft für Sport. Er merkt zwar, dass er „anders“ ist, aber Homosexualität ist für Christian wie für viele andere etwas Unaussprechliches und völlig Unvorstellbares. Später, während seiner Ausbildung zum Sport- und Latein-Lehrer, geht er aktiv gegen seine Homosexualität vor. Er begibt sich in Behandlung bei einem Arzt, der ihm tatsächlich Heilung verspricht. Hoffnungslos. Endlich geht Christian auf den Leipziger Klappen auf die Suche nach dem einen Mann, mit er ein neues Leben beginnen möchte.

HELWIN LEUSCHNER (1934) wird als Sohn deutscher Einwanderer in Chile geboren und verbringt bis 1972 den Großteil seines Lebens in Südamerika. Hier macht er erste sexuelle Erfahrungen, erfährt lebensgefährliche Diskriminierung und macht aus seinem sexuellen Leben ein Geheimnis – bis er in die DDR kommt. „Das alles, was sie sagen, dass in der DDR Homosexualität verfolgt wird, das ist ja gar nicht wahr.“ Für Helwin ist die DDR ein Schwulenparadies. Er beschreibt ein Land der ungewohnten Freiheiten, das ihm zur Heimat wird, auch, weil er hier seine große Liebe findet.

EDUARD STAPELS (1953) Geschichte könnte nicht unterschiedlicher sein. Nicht nur, dass er die DDR als Diktatur erlebt, die offen und rücksichtslos Oppositionsgruppen verfolgt; auch für Schwule bietet die DDR keine wirkliche Lebensqualität. Sie hält still, solange sich homosexuelle Männer auf Klappen und im Geheimen bewegen. Aber da sie keine öffentlich anerkannten Lokale betreiben, keine eigenen Publikationen haben und in den Medien und der Öffentlichkeit nicht vorkommen, beginnt Eduard für die Gleichberechtigung Homosexueller in der DDR zu kämpfen. Er studiert Theologie und nutzt den einzigen Ort, den Schwule damals ohne Genehmigung des Staates haben, um sich für ihre Belange zu engagieren: Die Kirche. Als Angestellter für Schwulenarbeit der evangelischen Kirche gründet Stapel ein DDR-weites Netz homosexueller Vereinigungen und gerät so ins Visier der Staatssicherheit, die Homosexuelle als Oppositionsgruppe ausmacht und zu Staatsfeinden erklärt. Als Eduard an Krebs erkrankt, kämpft er gleichzeitig um sein Leben und um die Bewegung, die er mit aufgebaut hat.

FRANK SCHÄFER (1959) war „vielleicht weniger ängstlich als die DDR“. Als Sohn des in der DDR bekannten Komikers Gerd E. Schäfer lernt er schon früh, auf der Klaviatur des Staates zu spielen und nimmt Rückschläge eher mit Humor, statt sich davon in seiner Lebensart beirren zulassen. Der Berliner wird einer der bekanntesten Friseure der DDR, erfindet die Punkfrisur des Sozialismus und tut alles, um als cool zu gelten. Dazu gehört auch, verhaftet zu werden, denn „viel verhaftet werden ist auch viel cool“. Schäfer erobert sich einen Freiraum und beginnt eine langjährige Beziehung mit einem Mann – bis ihm die DDR dann doch zu klein wird.

JOHN ZINNER (1968) wächst im Thüringer Wald auf. Wie jeder Schwule in der Provinz fürchtet Zinner für sich und seine Familie, ins Gerede zu kommen. Die nahe gelegene Grenze ist für ihn nicht die Gelegenheit, dem Staat zu entfliehen, sondern der Ächtung in der Kleinstadt. Eines Nachts im Winter macht er sich auf, um die DDR zu verlassen, den Weg bis zur Grenze legt er auf Skiern zurück. Den Grenzzaun schon im Blick, beschließt er aber doch, umzukehren, weil er seine große Liebe nicht wiedersehen würde. Sein Schulfreund ahnt davon allerdings nichts – und ist heterosexuell. John traut sich, sich zu outen und stellt fest: Er ist damit nicht allein.

RINGO RÖSENER (1983) ist in diesen Staat hineingeboren, der sich verabschiedete, bevor er ihn überhaupt bewusst wahrnehmen konnte. Tief in der ostdeutschen Provinz erlebt er den Zusammenbruch seines Heimatlandes als das Auftauchen von Westautos und Überraschungseiern. Ein Pionierhalstuch hat er gerade noch bekommen, nur dann nie wieder getragen. Trotzdem ist er als ein Ossi aufgewachsen. Geprägt von dem Eindruck, dass Homosexualität damals wie heute im ostdeutschen Flachland als Problem behandelt wird, hat er sich irgendwann gefragt, wie Schwule eigentlich in der DDR leben konnten. wen soll er aber fragen? Eltern und Großeltern wohl kaum. Auf seiner Suche begegnet er sechs schwulen Männern, die ihm ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.

Biografien

RINGO RÖSENER (Regie & Buch) wurde 1983 in Anklam geboren. Er studierte Kulturwissenschaften, Theaterwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten von Leipzig und Bologna. Seit 2009 arbeitet er hauptberuflich im Marketing und Businessdevelopement der Hoferichter & Jacobs Filmproduktion und betreut die Herausbringung diverser Dokumentarfilme. Für „Unter Männern – Schwul in der DDR“ schrieb er das Buch. Es ist sein erster Film.

MARKUS STEIN (Regie & Schnitt) wurde 1965 in Mannheim geboren. Nach Kamera- und Regieassistenzen und einem Studium in Berlin schloss er 1998 sein Regiestudium in Lodz (Polen) ab. In den folgenden Jahren arbeitete er als Regisseur, Kameramann und Autor mit Wohnort in Berlin. Aktuell ist er auch als Cutter und Dramaturg tätig.

  • 2012

    „Unter Männern – Schwul in der DDR“ (Regie und Schnitt; Dokumentarfilm, HDV 91 Minuten, Co-Regie mit Ringo Rösener. Produktion: Hoferichter & Jacobs GmbH, in Koproduktion mit MDR und Salzgeber & Co. Medien GmbH)

  • 2011

    „Beerland“ (Dramaturgie, Schnitt; Dokumentarfilm, HDV 86 Minuten. Produktion: Hoferichter & Jacobs GmbH in Koproduktion mit Telepool, BR, Regie: Matt Sweetwood, Verleih: Movienet)

  • 2010

    „Schwester“ (Autor, Spielfilm; Entwicklung mit „script & pitch“ – Torino Filmlab/Torino Filmfestival)

  • 2009

    „ZinS“ (Autor, Spielfilm)

  • 2008

    „Balkan Traffic – Übermorgen nirgendwo“ (Regie, Spielfilm, 83 Minuten, 35mm, Co-Regisseur: Milan Puzic, Produktion: Hoferichter & Jacobs GmbH/Lotus Film; Österreich, Kinostart 2008)

  • 2005

    „Rien ne vas plus“ (zweite Kamera, Kurzfilm, Regie: Katja Pratschke, Premiere: Venedig 2006)

  • 2003-04

    div. Videoinstallationen; Kamera, Schnitt, Design, u.a Theater Danzig, Theater Regensburg, Int. Theaterfestival Edinburgh

  • 2002

    „Amor en concreto“ (zweite Kamera, Spielfilm, 90 Minuten, DV – 35 mm, Produktion: Zyga Film, caracas & cameo, Köln; ZDF Kleines Fernsehspiel, Festivals: Cannes 2003)

  • 2001

    „Identity Kills!“ (Kamera Spielfilm, 90 Minuten, DV – 35 mm, Produktion: Living Films Berlin, Festivals: Berlinale 2003, Karlovy Vary, Moskau, Wien, London)

  • 2001

    „Faust – Probenzeit“ (Regie, Dokumentarfilm, 90 Minuten, DigiBeta, ZDF 2001)

  • 2000

    „Der Marathon“ (Regie, Dokumentarfilm, 45 Minuten, DigiBeta, ZDF; 3Sat)

  • 1998

    „Komiwojazer“ / „The Beginner“ (Regie, Spielfilm, 27 Minuten, 35 mm. Farbe, Arte: 1998. Festivals: (Auswahl) Festival du Court Métrage, Clermont Ferrand; Int. Short, Film Festival of Drama, Greece; Adriaticocinema International Shortfilm Festival Amsterdam)

  • 1994-98

    Diverse Kurzfilme, Studium an der Polnischen Filmhochschule Lodz

  • 1984-98

    Regie- und Kameraassistenz u.a. bei Peter Patzak, Otar Iosseliani, Wim Wenders, Peter Stein, Thomas Mauch u.a.

Markus Stein über „Unter Männern“
„Schwul in der DDR“. Das Thema versprach Ungehörtes, einen anderen Blick auf den real existierenden Sozialismus. Tatsächlich waren die Überraschungen schon in Ringos Recherchen groß: Verglichen mit dem Westen konnten Schwule nach dem Krieg im Sozialismus freier leben. Ganz anders als gedacht, wurden unsere ursprünglichen Erwartungen widerlegt: statt einer Reihe armer Unterdrückter trafen wir auf Menschen, die mit ihrem Leben als Teil einer Minderheit sehr unterschiedlich umgingen. Dabei waren die Berichte unserer Protagonisten privater, intimer und widersprüchlicher als vermutet.

Schnell wurde uns klar, dass wir keine Erzählung von der DDR liefern werden, in der Schwule und ihr Leben als Dreingabe auftreten. wir würden die DDR nur insoweit erzählen können, als sie für unsere Protagonisten von Belang war. Gegen Ideologie und gegen die heutige Erzählung von der überkommenen Ideologie der DDR konnten wir uns dem Thema nur über die Charaktere nähern. nur so konnten wir gleichzeitig sie und ihre Zeit erspüren und erfahren.

Aus den individuell sehr unterschiedlichen Lebenswelten einen Film zu gestalten, war die Herausforderung, die uns erlaubt hat zu sehen, wie festgefügt Geschichte oft dargestellt wird. Tatsächlich ist sie im wandel und erst erlebbar, wenn man sich den Menschen intensiv nähert, die daran beteiligt waren.

Credits

Crew

Regie

Markus Stein, Ringo Rösener

Buch

Ringo Rösener

Kamera

Bernadette Paassen

Ton

Aka F. Umme, Thomas Funk

Schnitt

Martin Menzel, Markus Stein

Schnittassistent

Christoph Sturm

Musikaufnahme

Moritz Denis

Gesang

Barbara Kind

Sounddesign

Christian Eichler

Tonmischung

Hans Kölling

Farbkorrektur

Tobias Wiedmer

Produktionsleitung

Peter Effenberg

Produktionsassistenz

Geraldine Prange

Filmgeschäftsführung

Sven Schmidt, Anne Stephan

Produzent

Olaf Jacobs

Koproduzent

Björn Koll

Redaktion MDR

Katja Wildermuth

eine Koproduktion der Hoferichter & Jacobs GmbH mit MDR Fernsehen und der Salzgeber & Co. Medien GmbH
gefördert von MDM – Mitteldeutsche Medienförderung, Deutscher Filmförderfonds, Kulturstiftung des Freistaats Sachsen, Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern

im Verleih von Salzgeber

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