
ein Film von Robert Epstein und Richard Schmiechen
USA 1984, 90 Minuten, englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
FSK 12
San Francisco in den 70er Jahren: Rund um die Castro Street entsteht die erste von Schwulen und Lesben geprägte Nachbarschaft der USA. Zum Symbol für das wachsende Selbstbewusstsein der queeren Menschen des Viertels wird der Aktivist Harvey Milk: Als selbsternannter Bürgermeister der Castro Street kämpft er für gleiche Rechte – und wird als erster offen schwuler Mann zum Stadtrat gewählt. Knapp elf Monate später wird Harvey Milk im Rathaus von einem politischen Rivalen erschossen. Doch als Ikone queerer Selbstermächtigung bleibt er unsterblich.
Mit „The Times of Harvey Milk“ haben die Filmemacher Robert Epstein und Richard Schmiechen selbst ein mitreißendes Stück Bewegungsgeschichte geschaffen. Über seltenes Archivmaterial und Interviews mit Vertrauten Milks porträtieren sie den Bürgerrechtler als empathischen, schlagfertigen und charismatischen Mann des Volkes. Was ihn angetrieben hat, erklärt Harvey Milk dabei selbst: in einer bewegenden Tonbandaufzeichnung, die er für den Fall seiner Ermordung aufgenommen hatte. 1985 gewann „The Times of Harvey Film“ den Oscar für den besten Dokumentarfilm.
Diane Fienstein, die damalige Präsidentin der Stadtverordnetenversammlung von San Francisco, gibt in einer erschütternden Fernsehansprache bekannt, dass Bürgermeister George Moscone und der Stadtverordnete Harvey Milk in ihren Büros im Rathaus erschossen worden sind. Unter dringenden Tatverdacht steht der Stadtverordnete Dan White, ein ehemaliger Polizist und Feuerwehrmann.
„The Times of Harvey Milk“ rekonstruiert zuerst das Leben von Harvey Milk. Wir hören seine Stimme von einem Tonband: eine Botschaft, die nach seinem Willen nur dann abgespielt werden sollte, wenn er durch einen Anschlag ums Leben gekommen sei.
Bevor Milk einer der engagiertesten und einfußreichsten Stadtverordneten San Francisco wurde und gleichzeitig der prominenteste Sprecher der Bürgerrechtsbewegung der Lesben und Schwulen, war er Besitzer eine Ladens für Fotozubehör in dem damals noch verschlafenen Castro District. Von 1973 bis 1978 versuchte Milk vergeblich, ein politisches Amt zu erlangen, bis er schließlich durch ein neues Wahlsystem im vierten Anlauf gewählt wurde. Schnell wurde er populär, denn er praktizierte Bürgernähe, organisierte Nachbarschaftshilfen und setzte sich für Menschen mit Diskriminierungserfahrung ein.
1978 nimmt er entschieden gegen die „Briggs Initiative“ Stellung, eine Kampagne gegen Schwule und Lesben. Zusammen mit dem progressiven Bürgermeister Moscone erarbeitet er eine Gesetzesvorlage zur Sicherung der Rechte von Homosexuellen, die auch von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet wird. Die einzige Gegenstimme kommt von seinem späteren Mörder Dan White, der nach seinen Worten ein Zeichen „gegen den moralischen Verfall der Stadt“ setzen will. Die Anti-Schwulen-Bewegung der ehemaligen Schauspielerin Anita Bryant gewinnt in den USA an Gewicht; in Kalifornien versucht Senator Briggs, ein Referendum, die sogenannte „Proposition 6“, einzuführen, die es Homosexuellen verbieten würde, in Schulen zu unterrichten. Milk organisiert eine Aufsehen erregende Kampagne gegen die Brigg-Initiative. Der damalige Gouverneur Reagan und Präsident Carter sprechen sich gegen das Referendum von Briggs aus, so dass die Vorlage bei ihrer Beratung überraschend gekippt wird. Einige Tage später kommt Dan White aus finanziellen Gründen in politische Schwierigkeiten. Er verliert seinen Stadtverordnetensitz.
ROBERT EPSTEIN (Regie), geboren 1955, hat als Cutter an zahlreichen Dokumentar- und Spielfilmen gearbeitet. Bereits sein Dokumentarfilm „Word Is Out“ über den Kampf von 26 homosexuellen Männern und Frauen für Gleichberechtigung wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 1981 war er Co-Produzent von Lucy Winters Dokumentation „Greetings From Washington, D.C.“, der einen Oscar erhielt.
Seinen ersten eigenen Oscar gewann Rob mit dem Dokumentarfilmklassiker „The Times of Harvey Milk“ (1985), bei dem er nicht nur an der Regie, sondern auch am Buch und am Schnitt beteiligt war und den er außerdem koproduzierte. „The Times of Harvey Milk“ erhielt ferner den New York Film Critics Circle Award für den besten nicht-fiktionalen Film and einen Preis der amerikanischen Filmkritiker, die ihn als einen der besten Dokumentarfilme des Jahrzehnts bezeichneten. Der Film wurde vom UCLA Film & Television Archiv als Restaurierungsprojekt ausgewählt und erlebte seine erste Wiederaufführung (nun in 35mm) im Jahr 2000.
1987 gründete Epstein zusammen mit Jeffrey Friedman in San Francisco die Produktionsfirma ‚Telling Pictures’. Ihre erste Gemeinschaftsproduktion war Common Threads – Stories from the Quilt (1990), ein Dokumentarfilm über die Opfer des HI-Virus der ersten zehn Jahre. Auch für diesen Film erhielt Epstein den Oscar für den Besten Dokumentarfilm, außerdem den Interfilm Preis der Berlinale und den Peabody Award. Mit ihrem nächsten Projekt „The Celluloid Closet“ (1995) feierten Epstein und Friedman erneut große Erfolge. Ihre Studie über die Darstellung von Schwulen und Lesben in Hollywood-Filmen wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt und erhielt u.a. den Teddy der Berlinale 1995.
Mit „Paragraph 175“ (2000) deckten Epstein und Friedman ein bislang unbehandeltes Kapitel der Geschichte auf – die Erfahrungen von Schwulen im Nationalsozialismus (Fipresci-Preis und Teddy der Berlinale, Directing Award beim Sundance Film Festival u.a.).
Nebenher sind beide Filmemacher vielbeschäftigte Produzenten von dokumentarischen Formaten für das amerikanische Fernsehen, gefragte Dozenten und Ratgeber sowie Mitglieder in der Academy of Motion Picture Arts and Sciences.
1977
„Word Is Out“ (Dok.)
1984
„The Times of Harvey Milk“ (Dok.)
1986
„The Aids Show“ (Dok.)
1989
„Common Threads – Stories from the Quilt“ (Dok.)
1993
„Where Are We? Our Trip Through America“ (Dok.)
1995
„The Celluloid Closet“ (Dok.)
1999
„Xtreme – Sports To Die For“ (TV)
2000
„Paragraph 175“ (Dok.)
2002
„Underground Zero“ (Segment „Isaiah’s Rap“) (Dok.)
2005
„An Evening With Eddie Gomez“ (Dok.)
2006
„Ten Days That Unexpectedly Changed America: Gold Rush“ (TV)
2010
„Howl – Das Geheul“
2013
„The Battle of Amfar“
2013
„Lovelace“
2014
„And the Oscar goes to“ (TV)
2018
„Endspiel“ (Dok.-KF)
2019
„State of Pride“ (Dok.)
2019
„Linda Ronstadt: The Sound of My Voice“ (Dok.)
Regie
Robert Epstein
Kamera
Frances Reid
Ton
Dan Gleich
Schnitt
Deborah Hoffmann & Rob Epstein
Musik
Mark Isham
Produktion
Richard Schmiechen